Herzrasen Schwindel Erschöpfung im Stehen
Posturale Tachykardie - Posturale Hyperventilation
Bei der posturalen Tachykardie fühlen sich die Betroffenen im Liegen am allerwohlsten. Doch wehe, wenn Sie aufstehen. Dann springt der Puls plötzlich um 30 oder mehr Schläge pro Minute nach oben.
Doch das ist nicht alles: Es kommt zu einem Leeregefühl im Kopf, Übelkeit, Schwäche, Zittern, Ängsten und manchmal Panikgefühlen. Nach einer Weile stellt sich vor allem eine kaum zu beherrschende Erschöpfung ein.
Einige liegen fast den gesamten Tag und sind kaum noch fähig einem normalen Alltag zu führen.
Es geht um Hintergründe, Ursachen und Therapiemöglichkeiten
Neu: Unsere POTS-APP
Einführung
Symptomatik
Was ist ein posturales Tachykardiesyndrom (POTS)?
Unter einem POTS wird eine abnorme Kreislaufregulation verstanden, bei der
- entweder die Herzfrequenz innerhalb von 10 Minuten Stehen entweder um mindestens 30 Schläge/Minute oder auf mindestens 120 Schläge ansteigt.
- Der Blutdruck weitgehend unverändert ist (systolisch nicht mehr als 20 mmHg, diastolisch nicht mehr 10 mmHg abfällt)
- Beschwerden auftreten (Schwindel, Benommenheit usw.)
- Keine andere erklärende Krankheit vorhanden ist
(Bei Jugendlichen (12-19) wird ein Frequenzanstieg um 40 Schläge für die Diagnose benötigt.)
Historisches
Die Symptomatik wurde erstmals Mitte des 19. Jahrhunderts als "Soldatenherz" oder "irritierbares Herz" von DaCosta beschrieben. Andere Bezeichnungen waren "milde orthostatische Intoleranz", Mitralklappenprolaps, neurozirkulatorische Asthenie, bzw. es wurden psychiatrische Diagnosen vergeben.
Die aktuelle Definition stammt aus dem Jahr 1993.
Beschwerden
Meist klagen die Betroffenen über Leere- oder "Wattegefühle" im Kopf, Benommenheit, Unsicherheit im Stehen, Schwindel, Herzklopfen, Übelkeit, Zittern, Schwäche, Zittern, Stehen wird schwierig und sie haben das Verlangen sich wieder hinzusetzen.
Im Verlauf der Erkrankung, die oft Jahre dauert, kommt es sehr häufig zu zunehmender und z.T. massiver Erschöpfung. Viele Betroffene liegen auch tagsüber sehr viel, sind kaum noch in der Lage einen normalen Tagesablauf zu gestalten.
Es gibt dabei fliessende Übergänge zu CFS und anderen Erschöpfungssyndromen.
Häufigkeit
Die Häufigkeit der Erkrankung ist nicht ganz sicher, wahrscheinlich sind einige Promille bis ein Prozent der Bevölkerung betroffen. Vor allem junge Frauen bzw. Frauen vor den Wechseljahren sind grundsätzlich etwa 4-5x so häufig betroffen wie Männer. Meist beginnt die Symptomatik unter 18 Jahren. Es gibt Hinweise, dass die Symptomatik zunimmt. Allerdings mag das auch an einer erhöhten Aufmerksamkeit der Ärzte für die Beschwerden liegen.
Viele von ihnen leiden auch unter anderen funktionellen Störungen, wie sie auf diesen Seiten beschrieben sind, z.B. Migräne, Reizdarmsymptomatik, Reizblasensymptomatik, Schmerzerkrankungen, Erschöpfungssyndromen, Schlafstörungen, Schwindel, dem Gefühl „wie in Watte gepackt zu sein“ oder Übelkeit. Auf seelischem Gebiet sind Angsterkrankungen und Depressionen gehäuft.
Schwer Betroffene
POTS kann mit sehr hoher Beeinträchtigung bis hin zur ständigen Bettlägerigkeit und Invalidität führen. Etwa 25% sind dauerhaft nicht in der Lage zu arbeiten und leiden dann meist zusätzlich unter depressiven Symptomen, Angst und zahlreichen vegetativen Beschwerden. Besonders auffällig ist die Überlappung mit einem chronischen Erschöpfungssyndrom (CFS).
Nach 5 Jahren war in einer Studie die Symptomatik in 50% verbessert. Allerdings blieben 81% nicht vollständig wiederhergestellt!
Vieles unklar
Noch ist die Ursache des POTS nicht vollständig geklärt. Wie bei den meisten funktionellen Störungen sind Frauen weitaus häufiger (ca. 80%) betroffen als Männer. Es scheinen wiederum die sensiblen, eher etwas ängstlicheren jüngeren Frauen zu sein, die unter der Symptomatik häufiger zu leiden haben. Möglicherweise sind sehr weibliche Frauen mit weichem, dehnbaren Bindegewebe, die auch sonst zu Ödemen (Wassereinlagerungen) neigen, häufiger betroffen.
Angst und Hyperventilation scheinen wesentliche Faktoren zu sein, die zu einer Chronifizierung führen.
Gerade bei langer Dauer, dürften der Verlust von Fitness, die Schonung und der allgemeine Rückzug in vielfältiger Weise zu einer weiteren Verschlechterung beitragen.
Diagnose
Diagnose
Die Diagnose eines posturalen Tachykardiesyndroms wird in der Regel mit Hilfe eines Kipptisches durchgeführt. Nach einer Phase im Liegen (10 Minuten) erfolgt dann das Aufrichten auf etwa 70-80°. Im Verlauf von 10 Minuten sollte dann ein Pulsanstieg über 30 Schläge pro Minute (oder >120) erfolgen ohne, dass sich der Blutdruck stark verändert.
Ohne Kipptisch kann der Test auch als sog. "Schellong-Test" durchgeführt werden. Hier wird gleichfalls erst gelegen dann gestanden.
Wesentlich ist natürlich, dass andere Ursachen ausgeschlossen sind, beispielsweise bestimmte Medikamente (z.B. Diuretika), Herzerkrankungen oder ähnliches.
Nasa-Lean-Test
Die beste Untersuchungstechnik für POTS ist eine Kipptischuntersuchung.
Allerdings geht es auch einfacher. Es ist der sog. NASA-Lean-Test. Den können Sie mit Hilfe einer zweiten Person zusammen durchführen.
Wichtig: Sprechen Sie sich ggf. vorab meinen Arzt ab, ob etwas gegen einen Stehversuch spricht bzw. führen Sie diesen zusammen mit medizinischem Personal durch.
Vorbereitung
Sie benötigen dazu ein Blutdruckgerät und eine Möglichkeit den Puls zu messen, etwa ein Pulsuhr oder einen Pulsoxymeter.
Eine Tabelle für das Notieren von Blutdruck und Puls können Sie hier laden.
Bedingungen
Die Flüssigkeitsaufnahme in den letzten 24 Stunden vor der Untersuchung sollte auf etwa 1 Liter begrenzt sein. Auch die aufgenommene Salzmenge, sollte das übliche nicht überschreiten. Schließlich sollten Sie am Tag der Untersuchung keine Kompressionstrümpfe tragen – bei der Untersuchung sowieso nicht.
Es ist ebenfalls sinnvoll vermeidbare Medikamente wegzulassen, die sich auf die Kreislaufregulation auswirken. Sprechen Sie sich mit Ihrem Arzt ab, was Sie auslassen können und was auf keinen Fall.
Erst liegen dann stehen
Legen Sie sich dann etwa 5-10 Minuten auf eine Liege und lassen Sie dann den Puls und den Blutdruck messen. Wiederholen Sie die Messung etwa nach einer Minute. Wenn beide Werte mehr oder weniger identisch sind, können Sie den Stehtest beginnen. Ansonsten warten Sie noch etwas bis sich die Werte stabilisiert haben.
Stellen Sie sich so an eine Wand, dass die Fersen etwa 15 cm entfernt stehen und sie nur mit den Schulterblättern angelehnt sind.
Bleiben in dieser Position und bewegen Sie sich möglichst überhaupt nicht. Reden Sie auch nicht. Lassen Sie jede Minute Blutdruck und Puls messen.
Abbrechen
Brechen Sie den Versuch immer ab, wenn ungewohnte Erscheinungen vorhanden sind oder Sie sich sonst unsicher fühlen. Besonders wenn es Ihnen stark schwindlig wird oder Sie den Eindruck habe, Sie würden ohnmächtig. Auch wenn die Hilfsperson merkt, Sie werden blass oder es kommt zur Verfärbung oder starken Schwellungen der Beine, sollten Sie sich hinlegen.
Auswertung
Für einen posturale Tachykardie spricht ein Anstieg des Pulses von 30 Schlägen oder mehr. Bzw. ein Anstieg auf über 120/min.
Ein sog. orthostatischer Blutdruckabfall liegt vor, wenn der obere systolische Blutdruckwert um mehr als 20 mm oder unter um mehr als 10 mmHg abnimmt.
Unterformen
POTS ist ein vielgestaltiges Krankheitsbild, das aus unterschiedlichen Ursachen entstehen kann und es ist bisher auch ist nur zu einem kleinen Teil verstanden.
Hier eine mögliche Einteilung:
Neuropathisch - Beeinträchtigung der Nerven
Zumindest bei einem Teil der Patienten liegt offenbar eine Schädigung der Nerven in den Beinen vor. Dadurch kommt es zu einer verminderten Kontraktion (Zusammenziehen) der Venen und das Blut bleibt in den Beinen "versackt". Hierbei kommt es häufig aus zu einer Störung der Schweißsekretion der Füße.
Allerdings wird diese Erkenntnis eingeschränkt: Einige Betroffene haben auch eine erhöhte Sympathikusaktivität, die möglicherweise reaktiv zu erklären ist. Hier finden sich dann auch andere Zeichen der Sympathikus-Aktivität: Schwitzen, Herzklopfen, innere Unruhe.
Hypovolämisch - Mangel an Flüssigkeit
Bei etwa der Hälfte der Patienten findet sich ein reduziertes Blutvolumen - das bis zu einem Liter (!) gemindert sein kann. Durch das Aufstehen wird möglicherweise ein kritischer Punkt überschritten, bei dem einfach zu wenig Blut zirkuliert.
Hier ist möglicherweise die Steuerung der Nieren beeinträchtigt. In diese Richtung weisen Befunde von einer veränderten Renin- und Aldosteron-Konzentration.
Adrenergisch- verstärke Sympathikusaktivität
Bei etwa der Hälfte der Patienten finden sich Hinweiszeichen für verstärke Sympathikusaktivität. Sie leiden vermehrt unter Herzklopfen, Herzrasen, Ängsten, innerer Unruhe, Schwitzen oder Zittern. Bei ihnen kann der systolische Blutdruck erhöht sein.
Hyperventilatorisch - zu schnelle Atmung
Es gibt nach der Literatur und nach unseren eigenen Beobachtungen eine deutliche Häufung von POTS und Hyperventilation.
Eine beschleunigte Atmung führt zu einem Abfall des CO2 Spiegels (sog. Hypokapnie). Dadurch werden unter anderem die Arterien der Hirngefäße eng gestellt. Dieses führt zu einer Minderdurchblutung des Gehirns und dürfte einen größeren Teil der zentralen Symptome (Erschöpfung, Schwindel, Benommenheit, Sehstörungen) erklären.
Daraus ergeben sich auch neuartige Therapiemöglichkeiten, die über eine Beeinflussung der Atmung gehen. Siehe unsere Seiten zur Hyperventilation.
Bindegewebe bezogen - überdehnbares Bindegewebe
Hier findet sich ein sehr dehnbares Bindegewebe, das sich vor allem als überstreckbare Gelenke darstellt. Besonders ausgeprägt ist dies beim Ehlers-Danlos-Syndrom, das mit stark dehnbarer Haut und Gelenken einhergeht. Bei dieser Erkrankung kann bis zu 80% eine POTS Symptomatik vorliegen.
Immunologisch - Antikörper gegen sich selbst
Bei einem weiteren Teil der Patientin finden sich erhöhte Aktivitäten der Mastzellen (sog. Mastzellen-Aktivierung-Syndrom), die auch bei Allergien eine Rolle spielen. Verschiedene Auto-Antikörper wurden hier gefunden.
Ebenso gibt es POTS nach Impfungen oder - ähnlich wie bei CFS - nach schweren Infektionen. Die könnten bis zu 50% der Betroffenen sein.
Ursachen
Verschiedene Hypothesen
Noch ist die Erkrankung nur zu einem Teil verstanden. Es scheinen zahlreiche Aspekte eine Rolle zu spielen, die sich in unterschiedlichem Grad auch mischen. Wie bei den meisten funktionellen Störungen sind Frauen weitaus häufiger (ca. 80%) betroffen als Männer. Es scheinen wiederum die sensiblen, eher etwas ängstlicheren jüngeren Frauen zu sein, die unter der Symptomatik häufiger zu leiden haben.
Wie erwähnt regelt der Körper beim Aufstehen den Blutdruck mit drei Mechanismen: Venöser und arterieller Gefäßverengung sowie Erhöhung der Herzfrequenz. Beim POTS fallen die ersten beiden aus und der Blutdruck muss lediglich über die erhöhte Herzfrequenz aufrecht gehalten werden, die dann logischerweise besonders drastisch ansteigen muss. Wie auch bei den "Unterformen" dargestellt, können jeweils unterschiedliche Teile der Regulation betroffen sein.
Hier sind nun im Folgenden einige der Ursachen aufgeführt, die sich häufig bei POTS finden.
Stress und Atmung
Nach unseren eigenen Erfahrungen spielt neben dem bekannten Auslösern (z.B. Infekte) auch meist Stress eine große Rolle. Die Symptomatik entwickelt sich meist während oder nach belastenden Lebensphasen. Sehr wesentlich ist dabei die Atmung. Der größte Teil der Patienten, die bei uns in Behandlung waren, leiden auch unter einer mehr oder minder ausgeprägten chronischen Hyperventilation.
Volumenmangel
- Bei Gesunden nimmt das Blutvolumen im Stehen nach 3 Minuten um ca. 300 ml ab, nach 10 Minuten um ca. 600 ml, danach kein weiterer Abfall mehr.
- Bei POTS ist diese Menge verdoppelt!
- Die Barorezeptoren registrieren den Volumenmangel und versuchen durch eine Beschleunigung des Herzschlags den Kreislauf zu stabilisieren.
Sympathikus
- Die Sympathikus-Fasern zur Gefäßverengung in den Beinen sind beeinträchtigt, bzw. die Ausschüttung von Adrenalin vermindert: Hypoadrenerg.
- Eine Untergruppe hat dabei in Ruhe eine zentral erhöhte Sympathikusaktivität mit Zittern, Schwitzen, Unruhe.
Barorezeptoren - Druckregler
Der Mensch verfügt über Sensoren, die den Druck im Blutkreislauf bestimmen können (Barorezeptoren oder Barozeptoren). Sie liegen besonders in der Halsschlagader (Carotin) und der Hauptschlagader (Aorta). Es gibt Untersuchungen, die ein normales Ansprechverhalten der Barozeptoren im Liegen aber eine besonders sensible Reaktion im Stehen gefunden haben.
Blutvolumen
Reduziertes Blutvolumen
- POTS-Patienten haben ca. 1 Liter weniger Blutvolumen (77-89%)
- Durch Stehen (zusätzlich ca. 500 ml weitere Verlust) kritische Grenze erreicht.
Reizdarm
Eine Reidarmsymptomatik findet sich häufiger bei POTS, wie Studien und unsere eigene Erfahrung zeigt. Reizdarm könnte POTS verstärken, da sich mehr Blut im Darm befindet, das dann beim Rückstrom zu Herzen im Stehen fehlt (venöses Pooling).
Vermehrte Durchlässigkeit der Kapillaren
Bei POTS scheinen in manchen Fällen die Kapillaren der Beine vermehrt Flüssigkeit ins Bindegewebe austreten. Je länger die Betroffenen stehen, desto mehr Flüssigkeit verliert sich im Gewebe.
Das könnte erklären, warum bei Gesunden die Gegenregulation beim Aufstehen nach spätestens 1-2 Minuten abgeschlossen ist, während bei POTS diese ausbleibt. Sie verlieren beständig immer weiter Flüssigkeit in das Gewebe der Beine.
Mastzellen
- Erhöhte Mastzelt-Aktivierung bei einem Teil der POST-Patienten
- Hinweise: Flash, Übelkeit, Erbrechen, hyperadrenerge Reaktionen mit Herzrasen, Hypertonie
Schonung
Durch lange Inaktivität und Schonung kommt es zu einer Verkleinerung des Schlagvolumens des Herz und zu einer Abnahme des Blutvolumens. Dies ist aber auch längerer Bettlägerigkeit der Fall.
Dieser Aspekte erscheint uns bei länger bestehendem POTS sehr relevant zu sein.
Autoimmunprozesse
Ein Autoimmunprozess wird nach einem Virusinfekt ausgelöst. Dabei erscheint wichtig, dass viele Autoimmunprozesse Frauen im gebärfähigen Alter betreffen.
Minderdurchblutung des Gehirns
Ein sehr wesentlicher Teil der Symptomatik scheint sich durch eine Minderung der Hindruchblutung zu erklären.
Kurz gefasst geht es um folgenden Zusammenhang. Falls beim Stehen zu schnell geatmet wird, kommt es zu einem Abfall des CO2-Gehaltes im Blut. Dieser wiederum bewirkt eine Entstellung der Gefäße des Gehirns mit einer Minderdurchblutung.
In Studien konnte folgendes gezeigt werden:
- Beim Stehen besteht eine deutliche Einschränkung der Hirndurchblutung (20% vs. 10% bei Gesunden).
- Dieser korreliert direkt mit der Hypokapnie (CO2-Absenkung) und Hyperventilation
- Bei Gesunden Abfall im Stehen um 4 mmHg bei POTS um 10 mmHg
- Angst/Panik korreliert mit Hypokapnie/Hyperventilation und wirkt als Verstärkungsmechanismus
- Näheres auch hier.
Begleiterkrankungen
Begleiterkrankungen
Ein POTS tritt selten oder nie alleine auf. Meist sind zahlreiche weitere sog. funktionelle Störungen damit verbunden, was auch ein Hinweis auf die Ursache der Symptomatik gibt. Die grundsätzlichen Überlegungen und die jeweiligen Krankheitsbilder finden Sie auch auf diesen Seiten. Besonders häufig sind folgende Beschwerden:
- Angststörungen/Panikstörung (allerdings ist die Tachykardie nicht durch Angst sondern das Aufstehen bedingt!)
- Reizdarmsyndrom
- Reizblase
- Mitralklappenprolaps
- Störung der Schweißsekretion
- Erschöpfungssyndrome (ca. 50-75%)
- CFS (ca. 25%)
- Fibromyalgie
- Schlafstörungen (fehlende Erholung, Tagesmüdigkeit)
- Druckgefühle im Thorax
- Sehstörungen
- Hyperventilation
Reizdarmsyndrom
Bei POTS findet sich sehr häufig auch eine Reizdarmsymptomatik. Nach unseren Erfahrungen ist dies eher die Regel als die Ausnahme und es finden sich ähnliche Hinweise auf in der Literatur.
Dabei spielt möglicherweise ein vermehrtes venöses Pooling (also mehr Blut) im Bauchraum eine Rolle, womit der Rückfluss zum Herz beeinträchtigt sein könnte.
Auch die verlängerte Passagezeit, Aktivierung von Mastzellen im Darm und eine allgemeine Hypervigilanz für körperliche Prozesse mag beim Reizdarm eine Rolle spielen.
Gefäßkompression
Es finden sich gehäuft Kompressionssyndrome der Gefäße:
- Thoracic Outlet Syndrom
- Truncus-coeliacus-Kompressionssyndrom
- Pelvic congestion syndrome
Weitere Erkrankungen
- 50% Akrozyanose - livide (blaue), kühle Beine/Hände/Füße
- Livedo reticularis
- Ekzeme
- Raynaudsyndrom
- Ehlers-Danlos-Syndrom in 18% und Hypermobilität der Gelenke
Posturale Hyperventilation
Wenig beachtet: Die Atmung im Stehen!
Bei einem Teil der Patienten mit POTS reagiert nicht nur der Puls mit einer Beschleunigung sondern gleichfalls die Atmung. Die Betroffenen atmen schneller und vor allem tiefer.
Diese Reaktion war uns lange Zeit entgangen, hat aber für die Beschwerden entscheidende Folgen.
Auf den ersten Blick mag das Verhalten befremdlich erscheinen. Warum sollte jemand beim Stehen anders Atmen? Doch dahinter steckt ein tieferer physiologischer Sinn. Durch die verstärkte Zwerchfellaktivität wird nämlich am Ende mehr Blut in Richtung Gehirn transportiert. Das geht so:
Bei jeder Bewegung des Zwerchfells nach oben, saugt es Blut aus den Beinvenen an.
Bei der Bewegung nach unten würde es wieder in die Beine zurückgedrückt, wenn es nicht nur die Venenklappen daran gehindert würde.
So erhöht sich bei der Einatmung (Zwerchfell nach unten) der Druck im Bauchraum und das Blut wird durch das Zwerchfell in den Brustraum und damit zum Herz transportiert.
Atmung - Zur Stabilisierung des Kreislaufes
Bei POTS hat dieser Mechanismus - der im Kern völlig normal ist - eine besondere Bedeutung. Da die normale Reaktion auf das Stehen (die Aktivierung der Venen) beeinträchtigt ist, müssen als Ersatz der Puls gesteigert und auch das Zwerchfell als Hilfe zur Stabilisierung des Kreislaufes aktiviert werden.
Durch vermehrtes, tiefes Atmen wird so mehr Blut aus den Venen nach oben in Richtung Herz und Gehirn transportiert.
Kleiner Schönheitsfehler: Abfall des Kohlendioxids
Doch diese vertiefte Atmung hat leider auch eine unerwünschte Nebenwirkung. Zwar wird maximal Sauerstoff aufgenommen (im obigen Beispiel 100% Sättigung) doch sinkt gleichzeitig der Spiegel des Kohlendioxids, da mehr abgeatmet wird.
Beeinträchtigung der Zentrale
Wir vermuten daher sehr stark, dass die zahlreichen "zentralen Symptome" - also Symptome des Gehirns - sich über diesen Mechanismus erklären.
- Wattegefühle
- Konzentrationsstörungen
- Kopfdruck
- Erschöpfung
- Sehstörungen
- Benommenheit
- Beklemmungsgefühle
- Angst/Panik
Therapie: Multimodal
Erst einmal enttäuschend!
Wenn Sie nach einer einfachen Therapie gegen POTS und posturale Hyperventilation suchen, dann werden Sie erst einmal enttäuscht. Es gibt nicht ein einziges Medikament, das dafür zugelassen wurde. Auch bei den anderen Verfahren ist es nicht so, dass eine einzige Maßnahme ausreicht, die komplexe Symptomatik erfolgreich zu behandeln.
Statt dessen werden multimodale Therapie empfohlen, bei denen eine Vielzahl von Verfahren zum Einsatz kommen. Wir wir die Problematik behandeln, sei hier dargestellt.
Modul 1: Information
Als erstes benötigen die Betroffenen klare Informationen zu den Hintergründen. Mythen (Amalgam-Vergiftung, Borreliose, Handy-Strahlen usw.) helfen nicht weiter. Die Symptomatik ist auch nicht eine versteckte Botschaft des Körpers, der "durch die Blume" vermitteln möchte, dass "alles zuviel" sei. Psychische Faktoren sind wichtig, doch nicht die alleinige Ursache. Es gibt mittlerweile ausreichend Forschung und Erfahrung über das Beschwerdebild.
Alles was Angst nimmt und Entspannung fördert ist hilfreich.
Modul 2: Schädliches Meiden
Eine der wichtigsten Schritte ist es, alles Unnötiges oder Schädliches zu meiden, das den Krankheitsverlauf begünstigt. Dazu gehört vor allem:
- Schonung/Inaktivität!
- Hyperventilation
- Übergewicht
- Diuretika
- Kalzium-Kanal-Blocker
- Mineralocorticoid-Antagonisten
- Beta-Blocker (möglicherweise in manchen Fällen unproblematisch)
Modul 3: Kompression
Bei POTS "versackt" Blut in den Bauchraum und die Beine (vor allem in die Venen). Daher ist es natürlich naheliegend mit äußerer Kompression dem entgegenzuwirken. Auch in der wissenschaftlichen Literatur zeigen sich Belege für diese Therapie, die wir in aller Regel einsetzen.
Im obigen Versuche sehen Sie, wie unmittelbar dies wirksam ist.
- Kompressionsstrümpfe
- Kompressionsstrumpfhosen
- Wickeln der Beine
- Kompression des Bauchraumes (durch Hilfsmittel oder auch durch Muskelaufbau)
- Verschiedene entstauende Maßnahme (Lymphdrainage, apparative Kompression, Methoden zur Hautstraffung) wie Sie auf den Seiten zur Therapie des Lipödems beschrieben sind.
- Umfangreduktion der Beine - falls nötig
Modul 4: Training
Wenn erschöpfte Patienten, die den größten Teil des Tages im Liegen verbringen, von "Training" hören, dann winken Sie nur resigniert ab: das geht überhaupt nicht! Je mehr sie sich zwingen, desto schlechter geht es ihnen. Natürlich ist das logisch: Wenn zu wenig Blut in das Gehirn gelangt, nimmt die Erschöpfung im Stehen zu.
Tatsächlich zeigt die Literatur, dass ausgerechnet das unangenehme Training erheblich Verbesserungen bringen kann.
Das "Training" muss daher anfänglich ohne diesen negativen Effekt auf die Durchblutung erfolgen. Das bedeutet: unter Ausschaltung der Schwerkraft. Etwa:
- Übungen im Liegen (z.B. mit Gummibändern)
- Schwimmen
- Bettfahrrad
Wir haben daher eine erste App entwickelt, mit der Sie zuhause trainieren können. #
AlterG - der Schwerkraft ein Schnippchen schlagen!
POTS-Patienten lernen bei uns auch wieder zu Gehen oder sogar zu Joggen! Doch dazu haben wir ein trickreiches Hilfsmittel. Wir benützen ein Laufband, das bis zur Hüfte/Brust umhüllt ist. In diese Hülle wird nun Luft hineingeblasen, sodass ein Überdruck entsteht, der den Körper anhebt. So entsteht das Gefühl von Schwerelosigkeit oder "Sieben-Meilen-Stiefeln". Gleichzeitig werden die Venen von Bauch/Beinen komprimiert und damit die POTS-Problematik ausgehebelt.
Der Name AlterG erklärt sich so: "to alter" = änder. Der Buchstabe "G" steht in der Physik für die Erdanziehungskraft. Die Schwerkraft wird natürlich nicht geändert - aber das fühlbare Gewicht sehr wohl.
Modul 5: Atemtherapie
Insbesondere wenn der Pulsanstieg mit einem Hyperventilation gekoppelt ist, wird Atemtherapie zu einem zentralen Baustein der Maßnahmen.
Zur Atemtherapie finden Sie auf diesen Seiten zahlreiche Informationen. Wir haben dazu sogar ein online-Programm erstellt.
Modul 6: Kälte
Je höher die Temperatur, desto mehr kommt es zu einer Zunahme der venösen Füllung der Beine. Das kann ein Drittel oder mehr an zusätzlicher Füllung bei Hitze bedeuten.
Dieser Effekt lässt sich nützen! Wenn die Beine kälter sind (Kneipp, Wasser, kurze Hosen) wird die Symptomatik gedämpft.
Wir nützen diesen Effekt bei Gehen und Joggen in der Kältekammer, in der es ca. -80° C hat. Hört sich schlimm an, ist es jedoch nicht. In dieser "coolen" Umgebung ist für viele POTS-Patienten die Symptomatik wie weggeblasen.
Modul 7: Volumen erhöhen
Bei POTS ist das Blutvolumen im Alltag aber auch akut beim Stehen reduziert. Daher ist es sinnvoll den Kreislauf aufzufüllen:
- Blutvolumen erhöhen: Trinkmenge 2,5-3 Liter
- Kochsalz zuführen: z.B. Salzreiche Ernährung, Salztabletten
- Infusion von NaCl: 1 Liter innerhalb von 1-2 Stunden
Modul 8: Medikamente
Es gibt kein einziges zugelassenes Medikament gegen POTS! Daher ist deren Einnahme meist eher ein Versuch als eine kausale Therapie. Unsere eigenen Erfahrungen mit den Präparaten sind eher ernüchternd. Daher ist die medikamentöse Therapie bei uns eher die Ausnahme. Trotzdem können Medikamente im Einzelfall indiziert sein.
Was natürlich immer gilt: Sprechen Sie alle Maßnahmen mit Ihrem Arzt ab. Nehmen Sie nichts ohne Verordnung. Es kann auch schlechter werden.
- Gabe von Alpha1-Agonisten: Verstärkung der Sympathikus-Wirkung: Midodrin - Gutron®
- Beta-Blocker in sehr niedriger Dosierung gegen Panikgefühle bei Tachykardie (verschlechtern Erschöpfung)
- Antiallergika (bei Mastzellenaktivierung)
- Mineralocoricoide: Antonin H 0,1mg (1-2 x täglich)
- Desmopressin, Minirin® als Tabletten (Antidiuretikum)
Widerstehen Sie der Versuchung lediglich auf Medikamente zu setzen!
Modul 9: Behandlung der Begleitsymptome und -erkrankungen
POTS kommt praktisch nie isoliert vor. In der Regel ist es von anderen funktionellen Beschwerden begleitet. Zwischen diesen verschiedenen Symptomen besteht eine intensive Wechselwirkung und gegenseitige Verstärkung. Wenn z.B. eine Schmerzsymptomatik oder Reizdarmbeschwerden bestehen, sollten diesen unbedingt mitverhandelt werden. Mehr dazu bei den einzelnen Krankheitsbildern auf dieser Seite.
Modul 10: Psychotherapie
Auch die Seele hat einen starken Einfluss auf POTS. Vor allem Angst, Panik und Depressionen sowie inneres "Katastrophisieren" machen die Beschwerden oft schlechter. Daher ist eine begleitende Psychotherapie sinnvoll und oft Teil unserer Therapie.
Allerdings: Psychotherapie als alleinige Maßnahme ist nicht ausreichend. Sie sollte stets im Rahme einer multimodalen Therapie erfolgen.
Multimodale Therapieei g
POTS ist eine komplexe Problematik bei der vielfältige Aspekte ineinander greifen. Vor allem wenn starke Erschöpfung zu der reinen Kreislaufstörung hinzukommt, wirken oft isolierte Maßnahmen nicht mehr. In diesem Fall sind umfangreiche Therapien nötig. Als Faustregel sollte vor allem das geübt werden, was am schwersten fällt.
Wir konnten feststellen, dass Therapien in größerem Zeitabstand (ein-, zweimal pro Woche) nicht in der Lage sind, die tiefgreifende Fehlregulation zu verändern. Daher behandeln wir möglichst intensiv und umfassend über kürzere Zeiträume. Häufig kommen Betroffene so zwei Wochen zu uns und üben dann das Gelernte weiter zuhause.
Dabei richtet sich die Intensität auch nach der aktuellen Belastbarkeit. Ist diese gering, sind Pausen im Tagesverlauf angebracht
Bei geringer Leistungsfähigkeit ist auch eine intermittierende Therapiesequenzen (z.B. mehrfach eine Woche) geeigneter. Dazwischen erfolgt intensive Selbsthilfe zuhause, die wir ggf. online betreuen.