Wenn Schlucken Panik auslöst
Schluckangst - Phagophobie
Unter Phagophobie (Phagophobia) oder Schluckangst (swallowing anxiety ) wird die Angst vor dem Verschlucken verstanden. Diese geht in der Regel mit der Angst vor dem Ersticken (choking phobia) einher. Sie sollte nicht mit einem Globus hystericus oder Anorexia nervosa verwechselt werden. Neben der Angst sich an Nahrung zu verschlucken, kann auch die Angst vor dem Verschlucken des Speichels bestehen.
Phagophobie wird zu den spezifischen Phobien (ICD: F40.2) gerechnet und von der Agoraphobie, den Panikstörung und den generalisierten Angststörungen abgegrenzt. Auch im DSM-5 wird die Störung erwähnt.
Über Schluckangst (Phagophobie)
Die Erkrankung gilt als sehr selten, es gibt kaum Daten und keine standardisierte Therapie. In der Literatur gibt es meist Einzelfallbeschreibungen oder Fallserien mit einer geringen Fallzahl. Zu einer etwas größeren Fallzahl gehört eine Studie, in der 41 Patienten über einen Zeitraum von 27 Jahren gesammelt wurden. Dabei wurde eine 2:1-Dominanz von Frauen und eine hohe Assoziation mit Angst- und Panikstörungen sowie Zwängen festgestellt. Auch belastende Lebensereignisse waren häufig.
Nach unserer eigenen Erfahrung haben wir einige Zweifel an diesen Zahlen, da in den letzten Jahren sehr oft Patienten mit diesen Beschwerden zu uns kamen.
Über das normale Schlucken
Verschluckt und alleine: Was tun?
Über die Angst Tabletten zu schlucken
Auslöser und Beginn der Beschwerden
Wir konnten in den letzten Jahren zahlreiche Patienten behandeln. Der Auslöser für die Symptomatik bestand jeweils in einem Erlebnis mit Verschlucken, das gefährlich oder gar lebensbedrohlich erlebt wurde. Je nachdem welche Nahrungsmittel in der Auslösesituation die Bedrohung verursacht hatten, wurde in der Folge feste Nahrung oder Getränke als bedrohlich erlebt.
Bei einigen Patienten wurde die Symptomatik ausgelöst, nachdem sie gesehen hatten, wir ein Familienmitglied sich verschluckt hatte oder sie nur ein Video gesehen hatten, bei dem jemand beinnahe erstickt wäre.
Schließlich gab es auch Betroffene, denen wurde irgendwann einmal bewußt, dass Schlucken nicht selbstverständlich funktionieren muss.
Angenommen jemand verschluckte sich z.B. an Brot , dann wird natürlich Brot am meisten gefürchtet. Innerhalb kurzer Zeit kommen dann weitere, feste Nahrungsmittel hinzu. Meist generalisiert die Angst schnell und umfasst dann alle Nahrungsmittel mit fester Konsistenz.
Etwas weniger häufig ist die Angst, sich an flüssiger Nahrung (Wasser, Säfte, Milch, Kaffee usw.) zu verschlucken. Auch hier stand am Anfang ein bedrohliches Erlebnis mit Getränken.
Meidung
In praktisch allen Fällen wird das ursprünglich auslösende Lebensmittel vermieden. Wenn Angst vor fester Nahrung besteht, wird die Nahrung verflüssigt, d.h. feste Nahrung wird getrunken. Etwas seltener ist die Angst vor dem Verschlucken flüssiger Nahrung (Wasser, Säfte, Milch, Kaffee usw.). Auch hier steht am Anfang ein bedrohliches Erlebnis mit Getränken. Das Vermeiden von Getränken ist in der Regel schwieriger und kann z.B. durch Verdickung (Gelatine) gelöst werden. Wasser wird dann "gegessen".
Beide Methoden führen in der Regel zu Gewichtsverlust, sind mit großen Ängsten verbunden und können lebensbedrohlich sein.
Gefährliches Bewusstsein
Risikofaktoren
Persönlichkeit
Meist handelt es sich um Personen, die eine Kombination von hoher Sensibilität, Irritierbarkeit und Leistungsbereitschaft aufweisen. Eine vermehrte Ängstlichkeit, Depressivität und andere vegetative Störungen finden sich vermehrt in der Vorgeschichte.
Atmung
Wir konnten bei praktisch allen von uns behandelten Patienten große Atmungsanomalien beobachten. Es bestand eine mehr oder weniger ausgeprägte chronische Hyperventilation, was einen wesentlichen Teil der Begleitsymptome (Panik, Verspannung, Schwindel, Benommenheit, Herzklopfen, Müdigkeit, Erschöpfung, Druck auf den Brustkorb, Engegefühl im Nacken usw.) erklärt.
Die entsprechenden Messwerte (insbesondere CO2) waren sehr auffällig.
Folgen des "Beinahe Erstickens"
Therapie
In den letzten Jahren haben wir ein systematisches Schulungsprogramm entwickelt, das sich als sehr erfolgreich erwiesen hat. Es findet in der Regel als Intensivtherapie über 2 Wochen statt und enthält die folgenden Elemente:
- Information und Aufklärung über die Symptome
- Körpernahe Entspannungsmethoden mit Massagen und Wärme
- Physiotherapeutische Übungen zur Entspannung der Muskeln
- Atemtraining mit verschiedenen Methoden
- Systematisches Schlucktraining bei aufsteigenden Schwierigkeiten
- Wenn notwendig begleitende Psychotherapie
Forschung
Zur Phagophobie-Forschung
Phagophobie oder Schluckangst ist die Angst vor dem Schlucken. Diese geht meist mit der Angst vor dem Ersticken einher (Erstickungsphobie). Sie sollte nicht mit Globus hystericus oder Anorexia nervosa verwechselt werden. Neben der Angst vor dem Verschlucken von Nahrung kann auch die Angst vor dem Verschlucken von Speichel auftreten.
Wir konnten neue Erkenntnisse über die Schluckangst gewinnen, die zu besseren Therapieergebnissen führen. Da es auf diesem Gebiet kaum Forschung gibt, bitten wir Sie, einen Online-Fragebogen auszufüllen ( wenn Sie unter Schluckangst leiden. Sie finden die Ergebnisse dann auf youtube oder auf unseren Seiten (www.weiss.de/schluckangst oder Sie können uns eine E-Mail schreiben: schluckangst@weiss.de, wenn Sie informiert werden möchten.