Schmerzen überall
Fibromyalgie
Fibromyalgie, das bedeutet Schmerzen am ganzen Körper, Abgeschlagenheit, Schlafstörungen, Magen-Darm-Beschwerden, Schwellungen und sehr viele rätselhafte funktionelle Beschwerden. Doch so schwerwiegend die Symptome auch sind, es findet sich kein körperlicher Befund.
Was ist das für eine Krankheit? Wie kann man Sie sicher diagnostizieren? Vor allem, wie kann man sie erfolgreich behandeln? Um diese Fragen geht es hier.
Sie finden hier umfassende Informationen. Unser Wissen stammt vor allem aus der täglichen Arbeit mit mehreren tausend Patienten, die wir in über 20 Jahren behandelt haben. Das Wichtigste vorweg: Fibromyalgie ist behandelbar!
Um schnell einen Überblick zu bekommen, können Sie z.B. unseren Video-Lernkurs absolvieren. Auch ein Blick in einen der Einführungsfilme oder eines der Videobeispiele hilft, sich zu orientieren. Wer tiefer einsteigen möchte, kann auch eines der Bücher lesen.
Ein kleiner Selbsttest kann zur Orientierung beitragen, wenn Sie sich nicht sicher sind, ob Sie unter FMS leiden.
Wie wir konkret behandeln, finden Sie unter spezieller Therapie. Was Sie vielleicht nur zwischen den Zeilen lesen können: Wir behandeln Patienten mit diesem Krankheitsbild gerne und freuen uns mit Ihnen über ihre Erfolge!
Einführung
Einführungsfilm
Einführungsvortrag
Diagnose
Lange Zeit bis zur Diagnose
Bis vor kurzem hat es durchschnittlich noch 5-7 Jahre gedauert, bis ein Fibromyalgiesyndrom korrekt diagnostiziert worden ist. Zum Glück ist diese Zeitspanne in den letzten Jahren kürzer geworden.
Dennoch: Jedes Jahr, das verstreicht, ist zu lange, da die Krankheit weiter chronifiziert, d.h. die Beschwerden breiten sich weiter aus und verursachen damit nicht nur unnötiges Leid, sondern sind auch schwerer zu behandeln.
Daher ist es von enormer Bedeutung zu wissen, wie man diese Erkrankung sicher diagnostizieren kann.
Das American College of Rheumatology, hat 1990, dazu Vorschläge gemacht, die lange Zeit das einzige Kriterium für die Diagnose waren. 2010 wurden neue Vorschläge erarbeitet, die vor allem die Bedeutung der Tenderpoints relativierten.
Gleichzeitig liegt für Deutschland eine S3-Leitlinie vor, die 2008 erarbeitet, 2011 und 2017 auf den neuesten Stand gebracht wurde.
Tender Points - oft missverstandene Druckpunkte
Für das Verständnis und die Diagnostik dieser Krankheit gleichermaßen bedeutsam sind die Druckpunkte, die "tender points".
Sie können das Phänomen am besten verstehen, wenn Sie ein kleines Experiment machen. Ertasten Sie die Stelle, an der die Muskeln des Unterarmes in die Sehnen am Ellenbogen übergehen, und drücken Sie kräftig mit dem Daumen darauf. Möglicherweise müssen Sie ein bisschen suchen, bis Sie diese Stellen auf der Vorder- und Rückseite des Ellenbogens gefunden haben.
Wenn dieser Druck schmerzt, haben Sie einen "tender point" gefunden. Sie müssen nun aber keinen Schreck bekommen: Ein tender point macht noch keine Fibromyalgie! Die beiden Punkte am Ellenbogen sind bei den meisten Menschen schmerzempfindlich. Es sind in etwa die Stellen, die auch beim "Tennisellenbogen" so ziehend wehtun. Im Falle des Tennisleidens sitzt die Schädigung allerdings knapp daneben im Übergang von der Sehne in den Knochen.
Schmerzt es auf der anderen Seite, spricht man gern vom Golfer-Arm. Nebenbei: Die meisten Menschen, die unter den Beschwerden leiden, spielen weder Golf noch Tennis!
Nun gibt es natürlich nicht nur diese beiden Muskel-Sehnen-Übergänge. Im Prinzip kann jeder Muskel davon betroffen sein. Bevor Sie weiterlesen, sollten Sie einmal schätzen, wie viele Muskeln Sie besitzen? Es sind genau 424 in Worten: Vierhundertvierundzwanzig! Neben diesen quergestreiften Muskeln, die wir bewußt steuern können, gibt es noch weitere, unzählige längsgestreifte Muskeln, die z.B. im Verdauungskanal arbeiten.
Etwa 40% des Körpergewichtes besteht aus Muskeln. Diese sind damit das größte Organ des Menschen. Glücklicherweise treten die Schmerzpunkte nicht an jedem dieser Muskeln auf. Über die genaue Zahl der in der Regel betroffenen gibt es keine Einigkeit. Bis zu 75 Schmerzpunkte wurden beschrieben, doch sind sie nicht alle gleich wichtig.
Wenn Sie die Abbildung genau betrachten, werden Sie feststellen, daß nicht nur die Übergänge von Muskeln zur Sehne eingezeichnet sind. Ein weiterer Übergang am Brustkorb, nämlich die Knorpel-Knochen-Grenze im Bereich der Rippen kann Schmerzen verursachen. Tastet man von außen, kann man sie unter der Haut bzw. unterhalb der Brustmuskeln spüren. Häufig ist jeder einzelne Knorpel-Rippen-Übergang betroffen.
Da die Rippen nicht gleich lang sind, sondern von oben nach unten immer kürzer werden, liegen die Schmerzpunkte von oben nach unten gesehen immer weiter außen. So lassen sie sich leicht von anderen sensiblen Punkten unterscheiden.
Bedeutsam sind diese tender points im Brustbereich, weil sie vermutlich für die sehr unangenehmen Brustschmerzen verantwortlich sind, unter denen viele Fibromyalgie-Patienten leiden. Oft genug sind sie so heftig, daß die Beschwerden mit einem Herzinfarkt verwechselt werden, und die geplagten Menschen auf eine Intensivstation aufgenommen werden.
Noch ein zweiter Bereich bildet eine Ausnahme von der Regel: Im Bereich der kleinen Hand- und Fußgelenke kann das umliegende Gewebe befallen sein. Ein Zustand, der mit einer schmerzhaften Bewegungseinschränkung einhergeht.
Ich nehme an, daß Sie in der Zwischenzeit bei sich selbst überprüft haben, ob die angegebenen Stellen schmerzen. Vermutlich haben Sie bei dieser Überprüfung festgestellt, daß viele dieser tender points Beschwerden machen, wenn Sie nur fest genug drücken. Muskel-Sehnen-Übergänge sind nämlich von Natur aus empfindlicher als die Mitte des Muskels, sog. "trigger points", die mit den Druckpunkten der Fibromyalgie nichts zu tun haben. Dies sind tastbare Verhärtungen in der Muskulatur.
Über die Bedeutung der tender points wurde in der Vergangenheit viel diskutiert. Derzeit ist mein Verständnis Folgendes: Das Fibromyalgie Syndrom zeichnet sich durch eine abnorme Absenkung der Reizschwelle aus. Man wird über die Maßen schmerzempfindlich. Dieses ist im Bereich der tender points nur besonders ausgeprägt.
Aber: Es trifft letztlich den gesamten Körper. Jeder Stoß tut praktisch überall weh!
Problematik
Beim Fibromyalgiesyndrom gibt es unzählige schmerzhafte Körperstellen. Manchmal tut es buchstäblich „überall“ weh. Unter der Fülle von denkbaren Punkten, hat man sich auf 18 geeinigt. Von diesen wiederum sollten 11 besonders empfindlich sein, um die Diagnose zu stellen.
Untersuchungen zeigten, dass die ACR-Kriterien eine Genauigkeit von fast 90% haben. Das Ausmaß der Schmerzhaftigkeit der Tenderpoints stimmt in hohem Maße mit den körperlichen und seelischen Beschwerden überein. Sind die Tenderpoints sehr empfindlich, ist die Reizschwelle meist auch insgesamt deutlich gesenkt.
Doch es gibt auch Problem. Die Untersuchung der Druckpunkte (Tenderpoints) ist alles andere als objektiv. Es ist nicht so einfach, genau mit vier Kilogramm auf einen dieser Punkte zu drücken und außerdem machen bereits Verschiebungen um wenige Millimeter einen entscheidenden Unterschied.
Auch die Verwendung von Druckmessgeräten (Dolorimeter) löst dieses Problem nicht. Außerdem haben auch Patienten, die unter andersartigen Schmerzen leiden, gleichfalls positive Tenderpoints.
Man versuchte, das Problem durch die Einführung von sog. Kontrollpunkte zu lösen, die im Gegensatz zu den Tenderpoints nicht schmerzempfindlich sein dürfen. Doch diese Punkte, z.B. auf der Stirn, sind bei zwei Drittel der Fibromyalgie-Patienten genauso überempfindlich.
Schließlich gibt es Patienten (oft Männer), bei denen zwar das Vollbild der Symptomatik vorliegt, jedoch nur 9 oder 10 Tenderpoints positiv sind. Sollte man da nicht von FMS sprechen? Doch was haben diese Patienten dann?
Kurz: Viele Wissenschaftler sehen heute die Tenderpoints mit kritischen Augen. Sie gehen davon aus, dass die Tenderpoints in den Anfangjahren zu wichtig genommen wurde. Dagegen sollte der weiteren Symptomatik (Erschöpfung, psychische Einschränkung, Konzentrationsstörungen, Magen-Darm-Probleme usw.) erheblich mehr Beachtung geschenkt werden.
Daher wurden die Tender-Points nicht mehr in die "harten Kriterien" für das Fibromyalgiesyndrom eingebunden. Wir untersuchen diese Druckpunkte regelmäßig werten sie aber lediglich als zusätzliches und ergänzendes Symptom das ein Gesamtbild abrundet.
Klinischen Kriterien für die Diagnose
Zentral sind die ausgebreiteten Schmerzen. Diese können nun mit Hilfe eines regionalen Schmerzindex bestimmt werden (siehe Graphik). Ausgebreitet gelten die Schmerzen, wenn sie in 7 oder mehr der 19 Regionen vorhanden sind.
Symptomschwere-Score
Beim Symptomschwere-Score wird eingeschätzt, wie ausgeprägt die Symptomatik ist. Maximal sind 12 Punkte möglich. 5 oder mehr sollten positiv sein. Unter "körperlichen Beschwerden" werden vor allem die Vielzahl der funktionellen Beschwerden verstanden.
Erschöpfung | 0 | 1 | 2 | 3 |
Nicht erholsamer Schlaf | 0 | 1 | 2 | 3 |
Geistige Beeinträchtigung | 0 | 1 | 2 | 3 |
Körperliche Beschwerden | 0 | 1 | 2 | 3 |
(0 = keine Beschwerden, 1 = leichte, wechselnde Beschwerden, 2 = mäßige, häufige Beschwerden, 3 = schwere, beeinträchtigende Beschwerden)
Keine weitere sinnvolle Erklärung
Und natürlich sollte keine andere Erkrankung vorhanden sein, wodurch die Gesamtsymptomatik erklärt würde. – Das bedeutet, dass ausreichend untersucht wurde!
Diagnose nach ICD 11
Seit dem 1.1.2022 ist der ICD 11 auch in Deutschland in Kraft. Nach einer Übergangszeit von 5 Jahren soll dieser ausschließlich verwendet werden.
Während "Fibromyalgie" im ICD 10 zu den rheumatischen Krankheiten (M79.70) gezählt wurde, wird es jetzt zu der neugeschaffenen Katetegorie "chronischer Schmerz" als "chronisch ausgedehnter Schmerz" (chronic widespread pain) gezählt und erhält die Verschlüsselung: MG30.01. Die Begrifflichkeit "Fibromyalgie" taucht nicht mehr auf.
Die Beschreibung ist jedoch durch aus ähnlich:
- Chronischer Schmerz in mehreren Körperregionen
- In mindestens 4 von 5 Körperregionen bzw. in mindestens 3 von 4 Körperquadranten
- Assoziiert mit Schlafstörungen, kognitiver Dysfunktion und körperlichen Symptomen
- Symptomdauer mindestens 3 Monate
- Symptome nicht besserer klärbar durch eine andere Diagnose
Dazu gibt es noch die folgenden Erläuterungen:
Chronische weit verbreitete Schmerzen (CWP) sind diffuse Schmerzen in mindestens 4 von 5 Körperregionen und gehen mit erheblichem emotionalem Stress (Angst, Ärger/Frustration oder depressive Stimmung) und funktioneller Behinderung (Beeinträchtigung der Aktivitäten des täglichen Lebens und eingeschränkte Teilnahme an sozialen Aufgaben) einher
Die CWP ist multifaktoriell bedingt: Biologische, psychologische und soziale Faktoren tragen zum Schmerzsyndrom bei. Die Diagnose ist angemessen, wenn die Schmerzen nicht direkt auf einen nozizeptiven Prozess in diesen Regionen zurückzuführen sind und Merkmale vorhanden sind, die mit noziplastischen Schmerzen und identifizierten psychologischen und sozialen Faktoren übereinstimmen.
Andere in Betracht zu ziehende chronische Schmerzdiagnosen sind chronische Krebsschmerzen, chronische postoperative oder posttraumatische Schmerzen, chronische neuropathische Schmerzen, chronische viszerale Schmerzen und chronische Schmerzen des Bewegungsapparats.
Chronische weit verbreitete Schmerzen (CWP) treten in der Regel in mindestens drei oder mehr Körperquadranten (Quadranten werden durch die obere/untere/linke/rechte Körperseite definiert) und im Achsenskelett (Nacken, Rücken, Brust und Bauch) auf.
CWP geht häufig mit einer erhöhten medizinischen Komorbidität einher, darunter Schlafstörungen, Fettleibigkeit, Bluthochdruck und Diabetes.
Patienten mit CWP berichten häufig über erhöhte Behinderungen, depressive und ängstliche Stimmung.
Die Patienten zeigen spontane oder evozierte Schmerzen in den betroffenen Regionen, begleitet von Allodynie und/oder Hyperalgesie. Angstzustände, Depressionen und allgemeiner Leidensdruck können bei Patienten mit CWP die Schmerzen verstärken.
Diagnosekriterien MG30.01
A. Chronische Schmerzen (anhaltend oder wiederkehrend seit mehr als 3 Monaten) sind in mindestens drei Körperquadranten sowie im Achsenskelett (4 von 5 Regionen) vorhanden.
B. Die Schmerzen sind mit mindestens einem der folgenden Punkte verbunden:
B.1 Es liegt eine schmerzbedingte emotionale Belastung vor.
B.2 Die Schmerzen beeinträchtigen die Aktivitäten des täglichen Lebens und die soziale Teilhabe.
C. Die Schmerzen sind nicht besser durch eine andere chronische Schmerzerkrankung zu erklären.
Das Vorhandensein von Schmerzen, emotionaler Belastung und schmerzbedingter Beeinträchtigung der Aktivitäten des täglichen Lebens sollte auf der Grundlage eines gründlichen Beurteilungsverfahrens unter Verwendung standardisierter Messungen festgestellt werden.
Neu: Postkoordination
Neu im ICD 11 ist die Möglichkeit eine Symptomatik näher zu differenzieren (sog. "Postkoordination"). Damit eröffnen sich neue Möglichkeiten, das Ausmaß eines Fibromyalgiesyndroms bzw. "widespread pain" zu beschreiben.
Psychosoziale Faktoren
- Psychosoziale Faktoren vorhanden (XS7G)
- Psychosoziale Faktoren nicht vorhanden (XS8G)
Schweregrad
- Kein Schmerz (XS5B)
- Milder Schmerz (XS5D)
- Mäßiger Schmerz (XS9Q)
- Erster/starker Schmerz (XS2E)
Leidensdruck
- Kein Leidensdruck (XS1J)
- Milder Leidensdruck (XS3R)
- Mäßiger Leidensdruck (XS7C)
- Ernster/schwerer Leidensdruck (XS7N)
Schmerzbedingte Beeinträchtigung
- Keine schmerzbedingte Beeinträchtigung (XS71)
- Milde schmerzbedingte Beeinträchtigung (XS5R)
- Mäßige schmerzbedingte Beeinträchtigung (XS2L)
- Ernste/schwere schmerzbedingte Beeinträchtigung (XS2U)
Verlaufsform
- Intermittierend (XT5G)
- Persistent (XT6Z)
- Persistent mit Attacken überlagert (XT5T)
Differentialdiagnose - Was sonst noch in Frage kommt
Nicht jeder ausgedehnte Schmerz ist Fibromyalgie!
Möglicherweise werden Sie eine ganze Reihe der bisher beschriebenen Symptome bei sich entdeckt haben. Doch bedeutet das nicht automatisch, daß Sie auch an einer Fibromyalgie leiden. Etliche Krankheiten, die leicht verwechselt werden können, verursachen ähnliche Symptome. Daher zunächst einige Faustregeln zur Orientierung. Sollten bei Ihnen ein oder mehrere der folgenden Symptome/Befunde vorliegen, dann haben Sie höchtstwahrscheinlich keine primäre Fibromyalgie. In jedem Fall sollten Sie sich weiter untersuchen lassen, um zu einer korrekten Diagnose zu kommen. Man sollte grundsätzlich keine Selbstdiagnose stellen. Als Betroffener kann man jedoch klären, ob ein begründeter Verdacht besteht, den man dann von einem Fachmann abklären lassen kann.
Kein Zeichen für Fibromyalgie!
- Klare Veränderungen in Röntgenbildern, Computertomogramm, bei der Ultraschall-untersuchung usw.
- Langanhaltendes Fieber (über 38°C), ausgeprägte Muskelschwäche, Lähmungen, sichtbare Rötung, Überwärmung um die Gelenke oder Schmerzen in (!) den Gelenken, Formveränderungen von Muskulatur oder Gelenken.
Verwechslungsgefahr
Ich möchte noch einige Krankheiten erwähnen, die leicht mit einer Fibromyalgie verwechselt werden können. Eine Reihe von ihnen ist vor allem durch begleitende Entzündungen bzw. typische Laborveränderungen charakterisiert.
- Polymyalgia rheumatica
- Muskelentzündungen
- Rheumatoide Arthritis (entzündliches Gelenkrheuma), gerade eine beginnende rheumatoide Arthritis ist oft ohne Laborveränderung und kann oft nur schwer von einem Fibromyalgie-Syndrom unterschieden werden.
- Erkrankungen des Bindegewebes (med. Kollagenose): Sjögren-Syndrom, Lupus erythematodes, Polymyositis, Dermatomyositis und andere
- Hormonelle Erkrankungen: Über- und Unterfunktion von Schilddrüse und Nebenniere oder Überfunktion der Nebenschilddrüse
- Infektionen, z.B. Epstein-Barr-Virus, Hepatitis-Virus oder Borrelien
Der richtige Ansprechpartner, um diese Erkrankungen auszuschließen, ist beispielsweise ein Rheumatologe, Endokrinologe und natürlich der Hausarzt.
Nebenwirkung Medikamente
Durch eine ganze Reihe von Medikamenten können akute Schädigungen der Muskulatur verursacht werden, die mit massiven Schmerzen einhergehen. Falls Sie ein solches Medikament einnehmen, befürchten Sie nun bitte nicht, unweigerlich eine (sekundäre) Fibromyalgie zu bekommen. Dies geschieht glücklicherweise nur in sehr seltenen Fällen. Anders ist es jedoch, wenn Sie bereits unter den typische Beschwerden einer Fibromyalgie leiden und gleichzeitig eines der erwähnten Medikamente einnehmen. Dann sollten Sie mit Ihrem Arzt über einen Auslassversuch sprechen. Nach einigen Wochen sollten dann die Beschwerden besser werden.
Folgende Präparate können mit den diffusen Schmerzen in Verbindung gebracht werden:
- Cholesterinsenker (Fibrate, Lovastatin)
- Narkosemittel,
- Harntreibende Medikamente (Bumetamid, Metolazon)• Asthmamittel (Salbutamol)
- Gichtmittel (Allopurinol)
- Brechmittel (Emetin)
- Blutstillende Mittel (Epsilon-Aminocapronsäure)
- Rheumamittel (D-Penizillamin)
- Malariamittel (Chloroquin)
- Antiöstrogene (Behandlung nach Brustkrebs)
- u.a.
Entzündliches Rheuma
Fibromyalgie tritt nicht selten nach einer entzündlich-rheumatischen Erkrankung auf. Das können eine klassische rheumatoide Arthritis („Gelenkrheuma“) oder auch andere rheumatische Erkrankungen sein. Nach einer Untersuchung leiden ein Teil der Rheumakranken gleichzeitig unter Fibromyalgie: 6,6% bei rheumatoider Arthritis, 13.4% von systematischem Lupus e., 12,6% bei M. Bechterew, 10,1% bei Arthrose, 12% bei Sjögren-Syndrom und 25% bei Vakulitiden.
Wir haben in den letzten Jahren häufig Patienten mit einer Polymyalgia rheumatica gesehen, die im Anschluss an das schwere entzündliche Rheuma ein Fibromyalgiesyndrom entwickelten.
Fibromyalgie nach Polymyalgie
Fibromyalgie als Begleiterkrankung
Manchmal leiden Patienten mit schweren entzündlichen Erkrankungen auch unter einer Fibromyalgiesymptomatik. Das ist nicht nur bei klassischem Gelenkrheuma (rheumatoide Arthritis) so, sondern auch bei anderen rheumatischen Erkrankungen (z.B. Lupus erythemotodes). Der chronische Schmerz und die zahllosen krankheitsbedingten Belastungen dürften die entscheidenden auslösenden Faktoren sein.
Natürlich gibt es noch mehr Krankheiten, bei denen oft gleichzeitig ein Fibromyalgiesyndrom auftritt. Beispiele hierfür wären Migräne, Depressionen oder Angsterkrankungen. In all diesen Fällen liegen also dann zwei oder mehr Erkrankungen gleichzeitig vor.
Früher sprach man in diesem Zusammenhang gerne von einer „sekundären“ Fibromyalgie, da eine andere Erkrankung das FMS ausgelöst hat. Diese Unterscheidung fällt man heute nicht mehr, da letztlich immer etwas (Rückenschmerzen, Schlafstörungen, Verletzungen usw.) die Beschwerden auslöst.
Fibromyalgie und CFS
Das Chronische Erschöpfungssyndrom (Chronic Fatigue Syndrome = CFS) ist durch eine lähmende geistige und körperliche Erschöpfung / Erschöpfbarkeit und weitere, individuell unterschiedliche Symptome charakterisiert.
Die Erschöpfung muß mindestens 6 Monate andauern und zu einer schwerwiegenden Leistungsminderung gegenüber früher Gewohntem führen. Anders als der Name es nahelegt, macht die Erschöpfung nur einen Teil des CFS aus.
Zum Krankheitsbild gehören Kopfschmerzen, Halsschmerzen, Muskel- und Gelenkschmerzen, Konzentrations- und Gedächtnisstörungen, nicht erholsamer Schlaf, Empfindlichkeiten der Lymphknoten, Nervenzuckungen und Kribbeln im Körper, Depressionen, Ohrgeräusche, Sehstörungen, Allergien, subfebrile Temperaturen, sowie eine anhaltende Verschlechterung des Zustandes nach Anstrengung und vieles mehr.
Bei der Mehrzahl der Erkrankten entwickelt sich die Krankheit schlagartig nach einem benennbaren Ereignis. Andere berichten von einer schleichenden Verschlechterung ihres Allgemeinzustandes. Die Beschwerden können über Jahre hinweg anhalten. Ursachen und Krankheitsmechanismen des CFS sind bis heute nicht bekannt. Immunfehlfunktionen, Viren, hormonelle Störungen, Pilze, psychische Faktoren, anhaltender Streß oder Umweltgifte werden international als Auslöser diskutiert.
Es wird immer wieder gefragt, inwieweit CFS und Fibromyalgie tatsächlich getrennte Krankheitsbilder oder nur verschiedene „Spielarten“ einer übergeordneten Störung darstellen. Vor allem die vielen vegetativen Störungen, die bei beiden Krankheiten auftreten, deuten darauf hin, daß eine fundamentale Fehlsteuerung in der Steuerung des Körpers auf hormoneller und neuro-vegetativer Ebene bei beiden Erkrankungen bedeutsam sind.
Anders als beim CFS sind jedoch immunologische Störungen bei der Fibromyalgie weniger bedeutsam. Auch hier werden zwar immer wieder Virusinfekte als einer der Auslöser genannt und ein „banaler“ Infekt kann die Beschwerden deutlich verschlechtern. Dieser Aspekt spielt jedoch bei weitem nicht die Rolle wie beim CFS.
Eine depressive Grundstimmung ist bei beiden Erkrankungen anzutreffen. Während manche Kollegen diese Tatsache als die „geheime“ Ursache in den Vordergrund stellen, scheint uns dies so nicht richtig zu sein. Aus unserer Sicht ist dieser Faktor eher die Folge als die Ursache der Erkrankung. Tatsächlich muß man von einer äußerst komplexen Beziehung zwischen körperlichen und seelischen Faktoren ausgehen.
Insgesamt wird die Diskussion über die „letzte“ Ursache noch lange nicht beendet sein. Besonders gilt dies, wenn man die weiteren Erkrankungen im Umfeld (MCS, Reizdarm, usw.) mit in die Betrachtung einbezieht. In der letzten Zeit ist uns die Nähe von CFS mit einer Reihe von Atemstörungen sowie posturaler Tachykardie aufgefallen und erscheint uns besonders wichtig.
"Larvierte" Depression?
Da die Fibromyalgie meist mit ausgeprägten Stimmungsschwankungen einhergeht, taucht immer wieder die Frage auf, ob es sich bei der Erkrankungen vielleicht um eine spezielle Art der Depression handelt, um eine sog. "larvierte" (verkleidete) Depression. Bei dieser Form der Depression soll nicht die Verstimmung im Vordergrund stehen, sondern eine Vielfalt körperlicher Beschwerden: Kopf- und Bauchschmerzen, Mundtrockenheit, Herzbeschwerden und viele andere der Symptome, die Sie bereits als begleitende Beschwerden bei der Fibromyalgie kennengelernt haben. Es ist sozusagen eine „Depression ohne Depression“.
Aus unserer Sicht ist es überaus zweifelhaft, ob es sinnvoll ist, diese Begriffe zu erwähnen. Viele Forscher und Kliniker lehnen den Begriff der „larvierten Depression“ ab. Wir erwähnen ihn jedoch hier, da er oft im Zusammenhang mit dem Fibromyalgie-Syndrom auftaucht.
Doch unabhängig davon, ob man den Begriff verwendet oder nicht, gibt es durchaus Überschneidungen zwischen Depression und dem Fibromyalgie-Syndrom.
Dabei gibt es jedoch charakteristische Unterschiede: Die körperlichen Beschwerden bei der Depression sind meist wechselnder, diffuser und schwerer eingrenzbar, als dies bei der Fibromyalgie der Fall ist. Eindeutig ist aber vor allem eines: Bei der Depression fehlen in aller Regel die schmerzhaften "tender-points"
Körperliche Symptome
Schmerzen, Überreizung, Erschöpfung
Hat sich die Krankheit voll entwickelt, leiden die Betroffenen meist unter folgenden Beschwerden:
- Im Vordergrund stehen die Dauer- und Ruheschmerzen. Etwa die Hälfte der Patienten klagt, sie hätten Schmerzen überall. Außer der Wirbelsäule sind fast immer auch Arme und Beine betroffen. Es gibt allerdings auch Fälle, in denen neben der Wirbelsäule nur einzelne Muskelbezirke (z.B. die Schultern) weh tun.
- Besonders schmerzempfindlich sind bestimmte Muskel-Sehnen-Übergänge, die bereits erwähnten "tender points". Sie haben in der Diagnostik (siehe dort) eine herausragende Rolle.
- Eine allgemeine Reizbarkeit der Nerven ist ein weiteres Symptom der Krankheit: Überempfindlichkeiten der Haut, des Geruchs, der Ohren usw.
- Neben den Schmerzen fühlt sich die Mehrzahl gedrückt, depressiv oder ängstlich.
- Mehr als die Hälfte der Patienten leidet an ausgeprägten Spannungskopfschmerzen. Häufig ziehen diese vom Nacken kommend über den Kopf nach vorne. Ein zweiter "Lieblingsort" ist die Augen-/Schläfenpartie.
- Manche Patienten müssen neben den Kopfschmerzen auch noch eine Migräne ertragen. Hauptsymptome sind einseitige Kopfschmerzen verbunden mit Übelkeit, Licht- und Lärmscheu.
- Morgens klagen die Patienten über ausgeprägte Steifheit der Gelenke und das Gefühl, diese seien angeschwollen, auch wenn eine Schwellung nicht immer sichtbar ist. Schwellungen treten meist auch im Bereich von Augen, Wangen und Fingern auf, und am Morgen ist häufig die Nase verschwollen. Frauen leiden unter Spannungsgefühlen in der Brust und im Unterleib. Vor und während der Periode können diese Beschwerden deutlich zunehmen und sich bis zu Krämpfen steigern.
- Erschöpfung, Mattigkeit und Müdigkeit sind die wichtigsten Symptome der Fibromyalgie. Diese massive Abgeschlagenheit fehlt selten und quält die Patienten sehr. Sie ist oft derart ausgeprägt, dass eine regelmäßige Berufstätigkeit nicht (mehr) möglich ist.
- Erschwert wird eine Erwerbstätigkeit auch durch die oft zu beobachtende Störung der Konzentration: Benommenheit, Erinnerungslücken, eine Störung des Kurzzeitgedächtnisses, das Gefühl der "Mattscheibe" oder einer allgemeinen Verlangsamung werden von Fibromyalgie-Patienten geklagt. Manche Betroffenen haben den Eindruck, sie stünden ständig neben sich selbst. Im amerikanischen Sprachraum wird dieser "benebelte Zustand" meist als "fibrofog" (fog=Nebel) bezeichnet.
- Ebenso häufig sind Schlafstörungen. Die Betroffenen haben einen leichten Schlaf, wachen oft auf, können nicht wieder einschlafen und fühlen sich vor allem vom Schlaf nicht erfrischt.·Aufstoßen, Völlegefühl, Sodbrennen, vermehrte Darmgeräusche, Blähungen, Durchfall oder Verstopfung fehlen selten.
- Bei überraschend vielen Patienten finden sich Allergien. Diese reichen von Heuschnupfen über Asthma bis hin zu schweren Fällen, bei denen praktisch auf alles allergisch reagiert wird.
- Fibromyalgie-Patienten sind meist sehr kälteempfindlich und berichten über Zeichen einer gestörten Durchblutung: Kalte Hände, Füße oder Raynaud-Syndrom.
- Ebenfalls häufig tritt ein Karpaltunnelsyndrom auf. Hierbei handelt es sich um die Einengung eines Nervens im Bereich des Handgelenkes. Als Konsequenz treten nachts heftige Schmerzen im gesamten Arm auf. 50% aller Fibromyalgie-Patienten leiden unter einem Carpaltunnelsyndrom. 50% der Patienten mit Carpaltunnelsyndrom leiden unter einer Fibromyalgie!
- Kreislaufstörungen mit heftigen Schwindelgefühlen sind zwar nicht gefährlich, beeinträchtigen aber das Leben vieler Patienten recht massiv.
- Für Arzt und Patient gleichermaßen verwirrend sind die vielen sog. "vegetativen" Beschwerden, die typischerweise mit der Fibromyalgie verbunden sind. Man kann sie als Störungen in der Regulation von Körperfunktionen verstehen.
Schmerzqualität
Fibromyalgie Patienten leiden oft unter Schmerzen, die sie als rätselhaft empfinden, da sie wandernd, einschießend, brennend und verzögert auftreten. Der ganze Körper kann überempfindlich werden. Gegen diese Schmerzen scheint kein Kraut gewachsen und Schmerzmittel wirken nicht besser als Hustenbonbons.
Um zu verstehen, wie es dazu kommt, ist es hilfreich, eine Unterscheidung zu machen, die in der Schmerztherapie gang und gäbe, merkwürdigerweise jedoch außerhalb dieses Feldes wenig bekannt ist.
Man muss unterschiedliche Schmerztypen oder "Qualitäten" unterscheiden:
Nozizeptive Schmerzen
Unter Nozizeptoren versteht man Schmerzfühler. Es sind oft freie Nervenendigungen, die in der Lage sind, schädigende Einflüsse wahrzunehmen. Nozizeptiver Schmerz ist der klassische oder „normale“ Schmerz. Ursache können Gelenkverschleiß, also Arthrose, Brüche, Verletzungen oder z.B. auch Bauchschmerzen sein.
Neuropathische Schmerzen
Etwas völlig anderes ist der neuropathische Schmerz, den man am besten mit Nervenschmerz übersetzen kann.
Bei Fibromyalgie liegt zwar kein klassischer neuropathischer Schmerz vor, wie etwa beim Phantomschmerz, bei Schmerzsyndrom von Diabetikern oder bei den Schmerzen, wie sie nach einer Gürtelrose auftreten. Aber oft sind neuropathische Anteile deutlich zu erkennen.
- Die Schmerzen treten trotz Wegfall der ursächlichen Schädigung und Schmerzquelle weiter auf.
- Sie halten auch Tage oder Wochen nach der Schädigung nach an.
- Es kommt zu Missempfindungen und Ausstrahlungen der Schmerzen
- Entstehungsort und Wahrnehmungsort stimmen nicht immer überein.
- Die Schmerzen verändern sich im Charakter: Brennen, Elektrisieren, Stechen, Reißen, usw.
- Neben Dauerschmerz kommt es zu attackenartigen einschießenden Schmerzen.
- Schwache Reize können heftige Schmerzen auslösen.
- Schmerzen werden immer heftiger, obwohl der Reiz gleich bleibt.
- Die Schmerzen halten länger an als der Reiz.
Praktische Konsequenzen
Die Unterscheidung hat einschneidende Bedeutung für die Therapie. Während der klassische nozizeptive Schmerz gut auf Schmerzmittel und Rheumamittel reagiert, sind diese bei neuropathischem Schmerz wirkungslos! Diese Tatsache kann man gar nicht oft genug wiederholen, da sie sehr oft übersehen wird. Neuropathischer Schmerz benötigt also eine andere Therapie.
Beim Fibromyalgie-Syndrom muss man also differenzieren. Wenn die neuropathische Schmerzqualität überwiegt, dann kann man sich einen Versuch mit Aspirin, Ibuprofen oder Diclofenac meist schenken.
Dagegen wären Antidepressiva, Antikonvulsiva (Mittel gegen Epilepsie) und Morphine sinnvoll – meist in niedriger Dosierung.
Neben den diffusen Schmerzen (gegen die Schmerzmittel nicht helfen), treten akute Schmerzen von Seiten der HWS oder LWS auf, die sehr wohl mit Ibuprofen oder Diclofenac zu therapieren sind.
Wie immer bei solchen Empfehlungen: Sprechen Sie die konkreten Schritte mit Ihrem Arzt ab.
Medikamente | Nozizeptive Schmerzen | Neuropathische Schmerzen |
---|---|---|
Schmerz-Rheumamittel | +++ | - |
Opioide | +++ | ++ |
Antidepressiva | - | +++ |
Mittel gegen Epilepsie | (+) | +++ |
Kortison | ++ | (+) |
Neurolopetika | ++ | + |
Vegetative Beschwerden
Fibromyalgie-Patienten leiden unter einer Vielzahl von Beschwerden, die sie mit fast allen medizinischen Fachdisziplinen in Kontakt bringen. Trotz der Intensität der Beeinträchtigung bekommen sie dort aber in aller Regel mitgeteilt, daß sie keinen oder allerhöchstens einen minimalen Befund aufweisen. Diese Diskrepanz zwischen Beschwerden und Befund läßt dann Arzt und Patient gleichermaßen erstaunen. Wird dies anfänglich als rätselhaft empfunden, führt man es auf die Dauer auf seelische Prozesse zurück. Kurz: Der Patient sollte sich ernsthaft einen Gang zum Psychiater überlegen.
Patienten fühlen sich dadurch meist verunsichert. Sie haben selbst nicht den Eindruck, seelisch krank zu sein. Nehmen Sie dennoch den Rat an und suchen den Seelenfachmann auf, ist diese Therapie selten erfolgreich. Zwar erfahren sie vieles über sich und ihre Lebensgeschichte, allein die Beschwerden wollen davon nicht besser werden.
Grund für die Verwirrung sind nicht einzelne Beschwerden, z.B. Schmerzen, sondern vor allem die Vielzahl der sogenannten "vegetativen Beschwerden". Sie sind so vielgestaltig, unsystematisch und "bunt" in ihrem Erscheinungsbild, daß selbst wohlmeinende Hausärzte an der seelischen Verfassung ihrer Patienten zweifeln. Eine Krankheit, die so viele unterschiedliche Symptome hervorruft, kann es wohl nicht geben...
Vermehrte Schweißneigung, empfindliche Haut mit überschießender Reaktion bei Berührung (Dermographismus), vermehrte Venenzeichnung, kreisrunder Haarausfall, Herzrhythmusstörungen, Atembeschwerden, unklare Schmerzen im Brustbereich mit Atemnot, Infektanfälligkeit, leicht erhöhte Temperatur, Taubheitsgefühle, "Restless-legs", Krämpfe in der Beinmuskulatur, Händezittern, Reizblase, Wassereinlagerungen, Periodenschmerzen, Nachlassen des sexuellen Interesses, Impotenz, Heiserkeit, Schluckbeschwerden, Kloßgefühl im Hals, Zahnschmerzen, Schmerzen in der Kaumuskulatur, Störungen des Hörens, Tinnitus, Stimmungsschwankungen, Reizbarkeit usw.
Gemeinsam ist allen diesen Beschwerden, daß bei Ihnen keine organische Veränderung vorliegt. Laboruntersuchungen, Röntgen, Computertomographie usw. zeigen kein fassbares Ergebnis. Bedeutet die Abwesenheit von "objektiven" Befunden, dass die Beschwerden also doch auf die Seele zurückgeführt werden müssen? Ich denke, dass dies eine übermäßige Vereinfachung darstellt, die der Sachlage nicht gerecht wird. Die vegetativen Störungen haben eine eigene Dynamik, die allerdings in der Medizin bisher noch unzureichend gewürdigt wird.
Was sind also die Hintergründe dieser vielen großen und kleinen Beeinträchtigungen? Sehen wir uns zuerst die Grundlagen, das vegetative Nervensystem, an.
Mehr zu funktionellen Störungen und dem vegetativen Nervensystem
Wassereinlagerungen, Schwellungen, Ödeme
Viele Frauen mit diffusen Schmerzen am Körper berichten über merkwürdige Schwellungen. Sie leiden unter „dicken Augen“ am Morgen, geschwollenen Fingern, schweren Beinen und dem Gefühl, die Haut sei zu eng. „Als ob ich in einem Taucheranzug eingesperrt bin“, so empfinden sie dies in ausgeprägten Fällen.
Hintergrund ist ein Problem mit dem Gewebewasser, der Lymphe. Sofern es hier zu einer Stauung kommt, treten diese eigentümlichen Schwellungen auf.
Anfangs sieht man nur eindrückbare Dellen. Später wird jedoch auch Fett eingelagert. Die Haut wird dicker, Orangenhaut und „Zellulitis“ treten auf, vor allem geht das Gewicht ein wenig in die Höhe.
Ebenso kommen dann auch Schmerzen hinzu und eine Häufung von Blutergüssen („blaue Flecken“) bei kleinsten Stößen.
Fibromyalgie vom "Ödemtyp"
Carpaltunnel & Co.
Nervenengpass-Syndrome sind bei Fibromyalgie ausgesprochen häufig. Am bekanntesten ist das sog. Karpaltunnelsyndrom.
Es handelt sich dabei um eine Druckschädigung eines Nerven in der Peripherie des Körpers. Die Symptome sind vielfältig. Sie beginnen mit Missempfindungen, steigern sich zu Taubheitsgefühlen und Schmerzen und enden bei Lähmungen.
Begünstig werden die Beschwerden durch wiederholte gleichförmige Bewegungen (Tippen, Musiker).
Risikofaktoren sind: Alkoholismus, Diabetes, Schilddrüsenerkrankungen, Schwangerschaft, weibliches Geschlecht, mittleres Lebensalter.
Bei Fibromyalgie ist vor allem das diffuse Ödem ein Hauptrisikofaktor. Hier beobachte ich sehr enge Zusammenhänge. Je ausgeprägter das Ödem, desto stärker ist die Schwellung in den Kanälen, durch die sich die Nerven „hindurchzwängen“.
Obwohl die Symptome oft recht eindeutig sind (z.B. beim Karpaltunnel nächtliche Schmerzen im ganzen Arm) dauert die Diagnose oft recht lang. Beste diagnostische Methode: Messung der Ströme im Nerven – Neurographie und Elektromyographie.
Standardtherapie: Ruhigstellung, nächtliche Schiene, antientzündliche Medikamente, ggf. kurzfristig Kortison, am Ende operative Erweiterung des Kanals.
Bei Fibromyalgie mit begleitenden Ödemen ist die antiödematöse Therapie meist überaus erfolgreich. Dies ist umso wichtiger, da die Beschwerden, z.B. beim Karpaltunnel-Syndrom, auch beidseits auftreten und auch nach der Operation erneut in der gleichen Hand wieder kommen können. Siehe auch: Lipödem
Unscharfes Sehen
Fibromyalgie-Patienten klagen häufig über eine verwirrende Sehstörung. Sie sehen wechselnd gut oder schlecht. Manchmal ist die Sicht verschwommen und unscharf, dann sehen Sie wieder ohne jede Beeinträchtigung.
Häufig berichten sie, dass sie gleich nach dem Aufstehen am Morgen die Zeitung nur schlecht lesen können. Im Verlauf des Tages wird dies jedoch schnell besser.
Ein Besuch beim Augenarzt bringt wenig Klarheit. Meist kann er nichts finden. „Alles ohne Befund“ so lautet die Diagnose, oder die Beschwerden hätten z.B. nichts mit einer bestehenden Kurzsichtigkeit zu tun.
Bei einer eigenen Untersuchung konnten wir Verbindung zur Atmung sehen. Auch bei der chronischen Hyperventilation finden sich ähnliche Beschwerden.
Psychische Symptome
Körper oder Seele
Eine der zweifellos am häufigsten gestellten Fragen zur Fibromyalgie lautet: "Ist die Krankheit seelisch bedingt?"
Weltweit sind sich die führenden Forscher einig, daß die Fibromyalgie keine seelisch bedingte Erkrankung ist. Diese Tatsache ist mir sehr wichtig, da die meisten Fibromyalgie-Patienten irgendwann in ihrer Krankheitsgeschichte zu hören bekommen, sie seien überspannt, neurotisch oder bildeten sich ihre Beschwerden bloß ein. Für die betroffenen Patienten ist dies in der Regel ein schwerer Schlag. Im günstigsten Fall fühlen sie sich nur unverstanden, im schlechtesten zweifeln sie an ihrer seelischen Verfassung und fühlen sich an der Erkrankung schuldig.
Diese Auffassung ist sicherlich falsch! Falls Sie selbst an dieser Erkrankung leiden sollten, lassen Sie sich bitte nicht einreden, alles liege nur an Ihrer Seele. Ihre Krankheit ist schwer genug zu ertragen, und Sie müssen sich nicht noch zusätzlich mit Fehleinschätzungen belasten.
Die Fibromyalgie ist kein reiner Ausdruck der Seele!
Andererseits heißt dies nicht, daß seelische Faktoren bei der Krankheit keine Rolle spielen würden. Häufig finden sich Menschen, die besonders sensibel und gleichzeitig leistungsbereit sind. Auch Verunsicherungen in der Kindheit oder eine Verunsicherung der Eltern findet sich sehr häufig.
Und es gibt Folgen: Eine Erkrankung, die so tief in das Alltagsleben eingreift, hat natürlich auch Auswirkungen für die Psyche. So wie die meisten chronischen Krankheiten löst auch die Fibromyalgie häufig Bedrücktheit, Trauer oder Depressionen aus. Daraus resultierend wirkt sich das Stimmungstief wieder verschlechternd auf die Fibromyalgie aus.
Wir haben es also mit einem komplexen Regelkreis zu tun, an dem die seelische Verfassung - neben vielen anderen Faktoren - zwar beteiligt, jedoch nicht die alleinige Ursache der Erkrankung ist!
Zusammengefassend kann man sagen, daß seelische und körperliche Faktoren bei der Fibromyalgie eng verflochten sind. In Zeiten, in denen es Ihnen schlecht geht, in denen Sie ein schlechtes Selbstbewußtsein haben, werden Sie mehr unter der Krankheit leiden. Ebenso wirken sich auch die körperlichen Beschwerden auf die Stimmungslage aus. Eine positive Stimmungslage trägt jedoch dazu bei, die Schmerzen besser zu ertragen
Bei jedem Menschen sind körperliche und seelische Faktoren anders ausgeprägt. Doch wie auch immer dieses Verhältnis aussieht: Sie selbst sind nicht "schuld" an Ihrer Erkrankung!
Diese Tatsache ist mir sehr wichtig, da im Laufe ihrer "Patientenkarriere" die meisten Fibromyalgie-Patienten an dem Punkt angelangt sind, an dem sie beginnen an sich selbst zu zweifeln: "Bin ich am Ende doch verrückt?" Oder: "Bin ich nicht selbst an allem schuld?"
Die Ursache solcher Verzweiflung liegt allerdings weniger in der Krankheit selbst begründet als in dem Verhältnis Arzt - Patient.
Damit möchte ich die Bedeutung der psychotherapeutische Behandlung gleichzeitig hervorheben und relativieren. Die Fibromyalgie ist keine seelisch bedingte Erkrankung. Dementsprechend kann man sie nicht ausschließlich mit psychotherapeutischen Verfahren heilen. Auf der anderen Seite spielen seelische Faktoren bei der Entstehung und im Verlauf der Fibromyalgie in der Regel eine wichtige Rolle. Das bedeutet, es ist notwendig, auch die emotionalen Aspekte der Erkrankung zu berücksichtigen.
Nicht jeder Fibromyalgie-Patient braucht deswegen eine Psychotherapie - aber manchen tut diese Therapie sehr gut. Jede wesentliche Änderung des Verhaltens, ein intensives Gespräch mit Freunden oder ein schöner Urlaub kann "psychotherapeutisch" sein. Es geht also darum, wie Sie auf Ihre eigenen seelichen Bedürfnisse im Rahmen der Erkrankung Rücksicht nehmen können.
Schlafstörungen
Schlafstörungen sind eine der unangenehmsten Beschwerden bei Fibromyalgie. Falls Sie betroffen sind, dann kennen Sie es: Sie fallen todmüde ins Bett und schlafen wahrscheinlich auch schnell ein. Aber dann: Nach wenigen Stunden, spätestens 2 oder 3 Uhr morgens ist es vorbei mit dem Schlummer. Sie wälzen sich von einer Seite auf die andere. Alles tut weh! Sie finden keinen Schlaf und wenn Sie doch kurz einnicken, dann weckt sie neuer Schmerz oder die Blase.
Am Morgen fühlen Sie sich zerschlagen, so als hätten Sie die ganze Nacht Holz gehackt oder maßlos gezecht.
Aus unserer Sicht basiert die Schlafstörung letztlich auf einem alten Schutzmechanismus: In früheren Zeiten beinhaltete Schlaf ein Risiko. Nicht zu schlafen, war bei Bedrohung (z.B. große Tiere) sicherlich besser als entspannt zu schlummern.
Fibromyalgie und Partnerschaft
Jede Krankheit bedeutet eine Beeinflussung der Partnerschaft. Kann man entfernteren Personen gegenüber eine Krankheit eher überspielen, bekommt der Partner die Beschwerden hautnah mit. Neben der eigenen Person ist er am meisten davon betroffen. Das muß nicht immer der Ehepartner oder die Ehepartnerin sein. Freundin oder Freund, Eltern, Kinder, Geschwister leiden zwangsläufig mit. Besonders Männern fällt es oft schwer zu akzeptieren, daß Ihre Partnerin nicht voll leistungsfähig ist.
Bereits eine 14-tägige Erkältung kann Auswirkungen auf eine Partnerschaft haben. Monatelange oder jahrelange Krankheiten sind eine der schwersten Belastungen, die eine Beziehung zu ertragen hat. Es ist fast so, als ob die Krankheit als unerwünschte und unsichtbare Person mit im Haushalt leben würde.
Häufig leidet der Erkrankte dann unter Schuldgefühlen. Doch auch der Partner gerät in eine schwierige emotionale Lage. Er bemüht sich, zu unterstützen und zu helfen, wo es nur geht. Doch seine Bestrebungen verlaufen bei der Fibromyalgie im Sand. Das erzeugt Enttäuschung, Ärger und einen verdeckten inneren Vorwurf. Da ein Fibromyalgie-Kranker nichts für die Krankheit kann, bekommt der Lebenspartner selbst Schuldgefühle. So sind schließlich beide in gegenseitigen Vorwürfen und Schuldgefühlen verstrickt. Darunter leidet die Lebensfreude und die Beziehungsqualtität. Gefühle erkalten und zur Krankheit kommt nun auch noch eine Beeinträchtigung der Partnerschaft hinzu.
Wir haben sehr große Hochachtung, wie verantwortungsbewußt und rücksichtsvoll viele Paare miteinander umgehen. Die tägliche Konfrontation mit den Beschwerden erfordert von beiden große menschliche Reife. Es ist nicht verwunderlich, wenn man an der übergroßen Aufgabe gelegentlich verzweifelt.
Fibromyalgie und Sexualität
Wer Zahnschmerzen hat, schreibt keine Liebesbriefe. Diese Tatsache ist den meisten Menschen selbstverständlich. Doch ein Loch im Zahn kann man sehen und es läßt sich beheben. Bei der Fibromyalgie ist das anders. Die Schmerzen dauern meist lange und von außen ist kein Defekt ersichtlich.
In der Regel leiden Frauen unter einer Fibromyalgie und müssen ihren Männern verständlich machen, daß ihnen unter diesen Umständen nicht nach Zärtlichkeiten oder Sexualität zumute ist.
Dabei ist unsere Erfahrung, dass Männer wie Frauen besonders unter zwei Dingen leiden:
- Sie verspüren keinerlei sexuelles Bedürfnis.
- Körperliche Berührung und Sex ist ihnen in aller Regel unangenehm oder bereiten Schmerzen.
Trotz dieser Schwierigkeiten brauchen betroffene Paare nicht auf befriedigende Sexualität zu verzichten. Beide Partner sollten wissen, daß die Problematik in erster Linie durch die Krankheit selbst bedingt ist. Der kranke Partner hat in der Regel nicht das Interesse am Sex verloren, sondern ist lediglich phasenweise durch die Erkrankung beeinträchtigt. Wenn Sie selbst an Fibromyalgie leiden sollten, versuchen Sie Ihrem Partner dies zu verdeutlichen.
- Reden Sie über das Thema. Sexualität darf keine "heilige Kuh" sein!
- Es gibt gute und schlechte Zeiten für Sex. Wenn Sie sich abends völlig zerschlagen fühlen, werden Sie garantiert keine Lust darauf empfinden. Andere Zeiten (morgens früh, mittags) sind oft sehr viel lustfreundlicher!
- Bereiten Sie sich gemeinsam innerlich und äußerlich auf die Zärtlichkeit vor: Ein warmes Bad alleine oder zu zweit, Kerzen, schöne Musik...
- Sexualität ist bei weitem mehr als nur Verkehr. Versuchen Sie nicht, einen Orgasmus zu erzwingen. Wenn Ihnen der Verkehr unangenehm ist oder Schmerzen bereitet, vereinbaren Sie mit Ihrem Partner, einmal darauf zu verzichten und genießen Sie dafür die Nähe mit ihm sowie andere Formen der Zärtlichkeit.
- Wie genußvolles Essen lebt Sexualität auch von der Abwechslung. Eine andere Umgebung, andere Stellungen oder Varianten des schon Vertrauten schaffen neue Spannung.
- Haben Sie keine Hemmungen, sich zu informieren. Es gibt sehr viel gute Literatur zu diesem Thema.
Ursachen
Wenn in den vergangenen 20 Jahren das Fibromyalgie-Syndrom erwähnt wurde, dann waren auch die Begriffe „rätselhaft“, „unerklärlich“ oder „mysteriös“ nicht weit. Die „diffusen“ Schmerzen und Beschwerden schienen nicht in den Rahmen der üblichen Medizin zu passen. Oft wurden die Betroffenen, bei denen kein eindeutiger organischer Befund zu erheben war, als psychisch krank bezeichnet, was meist nicht mit deren eigener Wahrnehmung übereinstimmte.
Mittlerweile hat sich viel geändert. Viele der Rätsel sind dank weltweiter Forschung gelöst. Tausende von wissenschaftlichen Artikeln sind publiziert, Jahr für Jahr werden mehr veröffentlicht. Wie häufig in der Forschung dauert es jedoch geraume Zeit, bis das gesammelte Wissen Anwendung in der täglichen Praxis findet.
Reizschwellensenkung - Zentrale Sensitivierung
Eine gesteigerte Sensibilität ist möglicherweise der Kern der FMS-Symptomatik.
Man kann sich dies an Hand der Schmerzschwelle der Zähne verdeutlichen. Wenn man kräftig kaut, dann lastet auf einem einzelnen Zahn ein Druck von 50, vielleicht sogar 100 Kilopond. Das Kiefergelenk wird dann mit annähernd einer Tonne beansprucht. Trotz der gewaltigen Kräfte ist dies nicht schmerzhaft. Anders aber, wenn ein Loch den Zahn sensibilisiert hat. Vermeidet man den Gang zum Zahnarzt, kommt es oft innerhalb weniger Tage zu einer hochgradigen Empfindlichkeit. Die Schmerzschwelle kann so stark sinken, dass bereits der kühle Lufthauch beim Einatmen zu unerträglichen Schmerzen führt. Damit soll deutlich werden, dass die Spannweite der Empfindungsstärken außergewöhnlich groß ist. Robuste Unempfindlichkeit und hochgradige Sensibilität sind Teil unseres Wesens.
Folgende Untersuchung ist in diesem Zusammenhang interessant: Patienten mit FMS wurden mit einer Kontrollgruppe von gesunden Probanden mit Hilfe einer funktionellen Kernspintomographie (fMRT) verglichen. Dabei ist es möglich, die Hirndurchblutung in verschiedenen Schmerzzentren zu messen. Beide Gruppen wurden mit einem kleinen Schmerzreiz irritiert und die Wirkung auf das Gehirn überprüft. Das erste, wenig überraschende Ergebnis war eine erhöhte Irritierbarkeit der Patienten mit FMS. Nun wiederholte man das Experiment und steigerte den Reiz solange, bis die Teilnehmer angaben, der Schmerz entspräche nun „7“ auf einer 10stufigen Schmerzskala. Es trat ein, was zu erwarten war. Die FMS-Gruppe erlebte die Stärke „7“ bereits bei deutlich niedrigeren Reizen. Doch das Spannende war etwas anderes. Verglich man die Durchblutungsmuster beider Gruppen bei „7“, so ergab sich hier kein relevanter Unterschied.
In anderen Worten: Die Schmerzqualität unterscheidet sich bei Gesunden und bei FMS-Patienten nicht. Sie wird nur sehr viel früher empfunden!
Schmerz und Angst
Im Verlauf einer FMS-Erkrankung beobachten viele Patienten eine erhöhte Sensibilität auch in anderen Sinnesqualitäten. Meist beginnt dies mit erhöhter Geräusch- und Lichtempfindlichkeit. Der Ehepartner scheint die Türen lauter zu schließen, es wird unangenehmer, wenn sich mehrere Personen gleichzeitig unterhalten und besonders schwierig wird es, wenn man sich auf einer Party unterhalten möchte, während gleichzeitig laute Musik spielt.
Auch eine erhöhte Berührungs- und Druckempfindlichkeit ist sehr verbreitet. „Fass´ mich bitte nicht so fest an“, ist ein Ausspruch, den viele Ehepartner zur Genüge kennen. Bei einer kleinen Gruppe von schwer Betroffenen kann dies sehr viel weiter gehen. Bereits ein sanfter Druck des Partners mit den Händen, kann schon zu einem heftigen Zusammenzucken führen. Eine Reaktion, die oft zu Unverständnis führt. („Was hast Du jetzt schon wieder?“)
Schmerz wird tatsächlich gelernt und zwar wesentlich effektiver als Vokabeln! So bedauerlich dies ist, so sinnvoll ist es auch. Die sprichwörtliche Herdplatte muss nur ein einziges Mal berührt werden, um sie im ganzen Leben nie wieder zu vergessen. Besonders intensiv ist der „Lernerfolg“, wenn Schmerz mit heftigen negativen Gefühlen (Angst, Schrecken, Bedrohung) gekoppelt ist. Dass diese Form des Lernens ein kluges Geschenk der Natur ist, braucht nicht näher ausgeführt zu werden.
Doch auch weniger dramatische Schmerzen können auf der körperlichen Ebene einen Lernmechanismus anstoßen. Je länger und intensiver Schmerzen anhalten, desto mehr passt sich das Nervensystem in vielfältiger Weise an. Die gemeinsame Folge: erhöhte Schmerzempfindlichkeit. Ein bekanntes Beispiel: Ein Tropfen Wasser auf den Kopf nehmen wir kaum war. Tropft es jedoch Stunden oder gar Tage immer wieder auf die gleiche Stelle, löst das unerträgliche Schmerzen aus („indianische Wasserfolter“).
Kindheitsprägungen - Fehlende Sicherheit
Praktisch alle Ärzte, Psychotherapeuten und Psychologen, die sich mit FMS beschäftigen, können diese Erfahrung bestätigen: Sehr häufig schildern Betroffene schwierige Verhältnisse in der Kindheit. Besonders häufig hört man von Schlägen, Gewalt, Vernachlässigung oder auch von sexuellem Missbrauch.
Kinder können sich nur bedingt gegen solch schlimme Lebensbedingungen wehren, denen sie hilflos ausgesetzt sind. Aber sie können versuchen, sich darauf einzustellen. Eine Form der Reaktion ist die Entwicklung einer gesteigerten Sensibilität, um frühzeitig die Bedrohung zu erkennen. Diese erhöhte Empfindsamkeit ist jedoch einer der Risikofaktoren für die Entwicklung eines FMS.
Doch auch eine andere Erfahrung kann zur erhöhten Sensibilität führen: Kinder erleben Eltern übervorsichtig, besorgt und verunsichert. Sie sind in beständiger Sorge, etwas könne einem Kind zustoßen. Auch solche Erfahrungen können Kinder irritieren: Sie wissen nicht, warum die Eltern so sind und interpretieren das Verhalten so: Die Welt ist gefährlich!
Depressionen und Ängste
Kaum eine Tatsache ist so gut untersucht wie der Zusammenhang zwischen Depression und FMS. Je nach Untersuchung schwanken die Angaben über den Prozentsatz. Zwischen 30 und 80% der Fibromyalgiepatienten leiden gleichzeitig unter einer depressiven Erkrankung. Depressionen wirken sich auch ungünstig auf den Verlauf eines FMS aus. Möglicherweise ist die gleiche genetische Disposition („Hyper-Sensibilität“) ein Risikofaktor sowohl für Fibromyalgie als auch für Depressionen und Ängste. Die Frage, ob zuerst die Depression und der Schmerz da waren oder umgekehrt, ähnelt der Frage nach Henne und Ei. Beides verstärkt sich bedauerlicherweise gegenseitig.
Doch zeigen die Untersuchungen auch etwas anderes: Es gibt eine große Gruppe von Patienten (zwischen 20 bis 70%), die nie depressiv waren. Ihre Stimmungseinschränkung ist in der Regel durch den Schmerz bedingt.
Stresshormone
Es gibt zahlreiche Hormone, die beim FMS möglicherweise eine Rolle spielen. So wurden Veränderungen beim Wachstumshormon, Adrenalin und insbesondere bei der Regulation des Cortisons beschrieben. Wie immer in der Wissenschaft sind die Ergebnisse nicht einheitlich und zum Teil widersprüchlich. Doch scheint es recht wahrscheinlich zu sein, dass bezüglich des Cortisons ein zweistufiger Prozess vorliegt. In einer ersten Phase wird durch chronischen Stress (Schmerz, physische oder psychische Belastung) anfänglich vermehrt Cortison produziert. In einer zweiten Phase kommt es dann zur Erschöpfung dieser Regulation mit erniedrigten Cortisonwerten und einem verminderten Ansprechen der Cortisonregulation bei Stress.
Diese Überlegungen sind bedeutsam, da Cortison eines der Hormone ist, das den Körper auf eine vermehrte Leistung einstellt. Es wird in Belastungsphasen (Kampf und Flucht) produziert und macht uns augenblicklich körperlich und seelisch widerstandsfähiger. In einem interessanten Experiment wurden Frauen vor einer stressreichen Testaufgabe entweder Cortison oder ein wirkungsloses Placebo gegeben. Die Cortisongruppe fühlte sich anschließend deutlich weniger belastet als diejenigen, die nur ein Placebo erhalten hatten.
Führt man sich die Symptome eines Cortisonmangels vor Augen (Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Schwindel, Bauchbeschwerden usw.), so scheint ein Zusammenhang mit der Regulation des Cortisons recht wahrscheinlich. Doch Vorsicht vor Schnellschüssen! Die Einnahme von Cortisontabletten, die bei Rheuma zu schnellen Erfolgen führt, ist beim FMS leider nicht hilfreich.
Auch hier eine Ausnahme: Manchmal tritt FMS zusammen mit einer entzündlichen Erkrankung auf, z.B. Rheuma. In solchen Fällen verbessert die Cortisoneinnahme natürlich die Beschwerden, was jedoch mit FMS nichts zu tun hat.
Östrogene & Co.
Natürlich liegt die Vermutung nahe, dass weibliche Hormone eine Rolle spielen, wenn eine Krankheit in der überwiegenden Mehrheit Frauen betrifft. Doch die Forschung und die klinischen Erfahrungen sprechen eine andere Sprache. Weder bei Östrogen, Gestagenen oder Oxytocin wurde ein Unterschied zwischen Patientinnen mit und ohne FMS gefunden. Auch nach meiner persönlichen Erfahrung hat die Einnahme oder das Absetzen von Hormonpräparaten selten einen wesentlichen Effekt.
Doch keine Regel ohne Ausnahme: weibliche Hormone können Einzelsymptome, z.B. Hitzewellen, recht gut lindern, sofern diese durch die Wechseljahre bedingt sein sollten. Hormone sind – nach Absprache mit dem Frauenarzt – einen Versuch wert.
Thyroxin & Hashimoto
Tatsächlich ist es auch meine klinische Erfahrung, dass häufig ein Zusammenhang zwischen Störungen der Schilddüse und Schmerzen zu sehen ist. Sowohl Unter- und Überfunktionen als auch eine Auto-Immunerkrankung der Schilddrüse (Hashimoto-Thyreoiditis) scheinen Risikofaktoren für ein FMS zu sein. Allerdings ist dies wissenschaftlich bisher nicht bewiesen. Es fehlen noch entsprechende Studien mit ausreichend vielen Teilnehmern. Die Einnahme von Schilddrüsenhormonen beeinflusst die Schmerzen in der Regel nicht. Selbstverständlich sollte man auf eine korrekte Einstellung einer Unter- oder Überfunktion achten.
Sympathikus - Parasympathikus
Unser Körper verfügt, vereinfacht gesprochen, über zwei verschiedene Nervensysteme. Zum einen gibt es die Nerven, die Sie im Augenblick brauchen, um dieses Buch in den Händen zu halten oder den Befehl zum Umblättern zu übermitteln. Diese sind dem „somatischen“ Nervensystem (Soma = Körper) zugeordnet. Dazu gehören auch alle Nerven, die uns von unseren Sinnesorganen Informationen über die Außen- (Sehen, Hören, Riechen, Schmecken) und die Innenwelt (Druck, Berührung, Schmerz, innere Organe) vermitteln.
Zum anderen gibt es das „vegetative“ Nervensystem (vegetare = wachsen, beleben), das für die Prozesse verantwortlich ist, die unser Wille nicht direkt steuern kann. Es sind die lebenserhaltenden Prozesse des Körpers wie Stoffwechsel, Blutdruck, Verdauung, Nierentätigkeit, Atmung, Herzschlag, Zellteilung usw. Wenn Sie den Entschluss fassen, von einem Stuhl aufzustehen, dann geben Sie einen bewussten Befehl mit Hilfe des somatischen Nervensystems: „Mit dem rechten Fuß zuerst aufstehen und drei Schritte nach vorne!“. Im Hintergrund arbeitet dann das vegetative Nervensystem: Puls und Blutdruck steigern, Blutstrom in die Beine umverteilen, Verdauungstätigkeit einschränken, Muskelspannung im Unterleib erhöhen usw.
Innerhalb des vegetativen Nervensystems gibt es weitere Untergliederungen. Das ist einmal das Nervensystem der Verdauungsorgane („enterisches Nervensystem“), das für den geregelten Ablauf der Nahrungsverwertung sorgt. Es wird oft auch als „autonomes“ Nervensystem bezeichnet, da wir es wenig oder gar nicht beeinflussen können. Daneben unterscheidet man den Sympathikus, der uns aktiv, leistungsfähig und kampfbereit macht, während der Parasympathikus umgekehrt die Erholung, Entspannung und Regeneration unterstützt.
Beim Fibromyalgiesyndrom finden sich zahlreiche Symptome, die nur durch eine Störung der vegetativen Regulation zu erklären sind. Da sind zum einen die vielfältigen Magen-Darm-Beschwerden, Störungen der Blutdruckregulation, Temperaturregulation, Regulation des Schwitzens, Blasensteuerung, Muskelspannung und vieles mehr. Diese vegetativen Störungen sind sehr beeinträchtigend. Viele Betroffene haben den Eindruck, ihr Körper gehorche ihnen nicht mehr. Jeden Tag treten neue verwirrende Beschwerden auf. Typisch hierfür ist, dass diese Regulationsbeschwerden schlecht zu messen sind. Blutdruckschwankungen sind leicht zu bestimmen, Störungen der Atmung, der Verdauungstätigkeit, Blasentätigkeit oder der Durchblutung dagegen schwer zu objektivieren. Laboruntersuchungen, Röntgen, Computertomogramm oder Ultraschall zeigen stets nur Normalwerte. Dennoch sind diese Veränderungen real und – wie bereits erwähnt – nicht eingebildet.
Es zeichnen sich aktuell verschiedene Typen der Fehlregulation ab: Betroffene mit einer überschießenden Sympathikus-Aktivierung und solche mit einer deutlich verminderten. Die erste Gruppe zeigt eine schnelle Stressreaktion mit Blutdruck und Pulsanstieg, einer sofortigen und übertriebenen allgemeinen Aktivierung, während bei der anderen Gruppe dies genau umgekehrt abläuft. Offensichtlich kommt es zu einer Störung der komplexen Regulation, die jede denkbare äußere Herausforderung an uns stellt. Die differenzierte, abgewogene Steuerung von Muskelspannung, Puls, Blutdruck, Atmung bis hin zur erhöhten Aufmerksamkeit und seelischen Anspannung ist bei FMS aus dem Lot geraten.
Es ist offensichtlich, dass es hier nicht nur zwei Typen von FMS gibt. Wahrscheinlich ist die Zahl der Untergruppen sehr viel höher; doch stehen wir hier erst am Anfang der Forschung.
Was ist also Fibromyalgie?
Therapie
Im Erstgespräch mit Fibromyalgie-Patienten wird vor allem eines schnell deutlich. Ist bereits der Weg zur Diagnosestellung ein Weg voller Irrungen, der im Durchschnitt 6-7 Jahre in Anspruch nimmt, erweist sich die Therapie gleichfalls als eine Kette von Misserfolgen.
Fast ohne Ausnahme berichten die Betroffenen über enttäuschende Erfahrungen mit der Medizin. Viele Patienten haben eine Ärzteodyssee hinter sich und können dicke Befundordner vorlegen. Typischerweise teilen sie folgende Erfahrung:
- Klassische Physiotherapie verschlechtern die Beschwerden statt sie zu verbessern
- Medizinische Trainingstherapie oder Fitnesstraining im Sportstudio führt zu anhaltenden Muskelschmerzen vor allem in der folgenden Nacht.
- Analgetika/Antirheumatika haben keine oder nur geringe Wirkung.
- Antidepressiva führen in der üblichen antidepressiven Dosierung zu massiven Nebenwirkungen, die meist zum Absetzen der Medikamente führen.
- Nebenwirkungen treten in hohem Maße auf („Alles, was auf dem Beipackzettel steht“)
- Die Mehrzahl der Betroffenen vermutet, dass die Beschwerden nicht in erster Linie seelische Ursachen hat, sondern umgekehrt die vorhandene Depressivität Folge der chronischen Schmerzen ist.
- Psychotherapien und psychosomatische Rehakliniken haben leider nur wenig positive Auswirkung auf die Schmerzen.
Enttäuschende Schmerzmittel
Setzte man anfänglich die Hoffnungen vorwiegend auf pharmakologische (medikamentöse) Therapie, wird heute deutlich, dass diese als alleinige Maßnahme weitgehend enttäuscht haben. Medikamente spielen daher bei unserem Therapiemodell nur eine untergeordnete Rolle.
Patienten reagieren weder auf periphere noch zentrale Analgetika mit eindeutiger Schmerzminderung. Auch das Stufenschema nach WHO (siehe nebenan) versagt bei Fibromyalgie-Patienten. Die Betroffenen klagen vor allem über die Nebenwirkungen, ohne eine ausreichende Hauptwirkung zu erzielen. Auch Antirheumatika – Anti-Rheuma-Mittel – lassen die erwünschte Wirkung meist vermissen.
Schmerzmittel enttäuschen u.a., da es sich beim Fibromyalgie-Syndrom vor allem um eine Störung der Schmerzverarbeitung handelt. Ein vermehrter Einstrom aus peripheren Nocizeptoren ist nicht oder nur in geringem Umfang gegeben.
Klarheit im Kopf, Mythen zerstreuen
Fibromyalgie ist ein klar umrissenes Krankheitsbild, und Sie sind nicht schuld daran, dass die Krankheit noch wenig bekannt ist. Obwohl es Betroffenen seelisch schlecht geht, bedeutet das nicht, dass man "verrückt" ist.
Die Fibromyalgie ist eine Krankheit, die das Leben schwer beeinträchtigt, jedoch im großen und ganzen keine Veränderung der Körperstruktur bewirkt. Es gibt nie Spätschäden, Veränderungen der Gelenke, Verkrüppelungen usw. Sie werden dieser Krankheit wegen auch sicherlich nie im Rollstuhl sitzen.
Die Diagnostik eines Fibromyalgiesyndroms ist relativ einfach. Verzichten Sie daher nach der richtigen Diagnosestellung auf weitere umfangreiche Untersuchungen. Eine akut-entzündliche Erkrankung sollte jedoch ausgeschlossen werden. Hierzu genügen einige relativ einfache Laboruntersuchungen, wie sie von jedem Hausarzt durchgeführt werden (z.B. Blutbild, Blutsenkungsgeschwindigkeit, Rheumafaktor, CRP, Eiweißelektrophorese, Immunglobuline). Lernen Sie zu akzeptieren, daß keine fassbaren körperlichen Veränderungen hinter der Erkrankung stehen. Je mehr Sie untersuchen lassen, desto mehr zufällige Ergebnisse gibt es. So kommt es eher zu mehr Unklarheit und Verwirrung. Oder, um einen Vergleich wieder aufzunehmen: Wenn der Verkehr zusammenbricht, können Sie die einzelnen Autos noch so genau untersuchen. Daran liegt es nicht!
Mit Gewalt geht gar nichts!
Fibromyalgie ist ein klar umrissenes Krankheitsbild, und Sie sind nicht schuld daran, dass die Krankheit noch wenig bekannt ist. Obwohl es Betroffenen seelisch schlecht geht, bedeutet das nicht, dass man "verrückt" ist.
Die Fibromyalgie ist eine Krankheit, die das Leben schwer beeinträchtigt, jedoch im großen und ganzen keine Veränderung der Körperstruktur bewirkt. Es gibt nie Spätschäden, Veränderungen der Gelenke, Verkrüppelungen usw. Sie werden dieser Krankheit wegen auch sicherlich nie im Rollstuhl sitzen.
Die Diagnostik eines Fibromyalgiesyndroms ist relativ einfach. Verzichten Sie daher nach der richtigen Diagnosestellung auf weitere umfangreiche Untersuchungen. Eine akut-entzündliche Erkrankung sollte jedoch ausgeschlossen werden. Hierzu genügen einige relativ einfache Laboruntersuchungen, wie sie von jedem Hausarzt durchgeführt werden (z.B. Blutbild, Blutsenkungsgeschwindigkeit, Rheumafaktor, CRP, Eiweißelektrophorese, Immunglobuline). Lernen Sie zu akzeptieren, daß keine fassbaren körperlichen Veränderungen hinter der Erkrankung stehen. Je mehr Sie untersuchen lassen, desto mehr zufällige Ergebnisse gibt es. So kommt es eher zu mehr Unklarheit und Verwirrung. Oder, um einen Vergleich wieder aufzunehmen: Wenn der Verkehr zusammenbricht, können Sie die einzelnen Autos noch so genau untersuchen. Daran liegt es nicht!
Entspannung
Bei der Therapie der Fibromyalgie geht es um die Beeinflussung von Regelkreisen. Ein wichtiger Ansatzpunkt ist das Durchbrechen des Kreislaufes von Schmerz, Anspannung, Angst und neuem Schmerz.
Dies beginnt mit einem inneren Schritt: Versuchen Sie zu akzeptieren, daß die Krankheit derzeit noch stärker ist als Sie und sich nicht mit Gewalt bekämpfen läßt. Vielleicht sind Sie jetzt verwirrt, da ich Ihnen eben noch geraten habe, aktiv gegen die Krankheit vorzugehen. Dies ist zwar richtig, allerdings geht das nicht kämpferisch. Die Krankheit gehört derzeit noch zu Ihnen und bildet einen Teil Ihrer Persönlichkeit so wie es auch Charaktereigenschaften gibt, die Sie an sich weniger schätzen. Darüber kann man sich ärgern, aber man kann diesen Part nicht ausradieren. Im Gegenteil, je mehr Sie kämpfen, desto größer wird Ihre innere Anspannung und werden damit auch Ihre Beschwerden.
Es geht nur auf freundliche Art und Weise: Bilden Sie mit Ihrem Körper ein Team und suchen Sie einen Ausweg aus der verfahrenen Situation.
Das Gleiche gilt für äußere Hilfe. Sie werden keinen Experten finden, der Sie auf einen Schlag von allen Beschwerden befreien kann. Falls Sie mit dieser Hoffnung zu Ärzten gehen, werden Sie regelmäßig bitter enttäuscht. Beim Versuch, die Krankheit mit immer härteren Mitteln zu attackieren, werden zum Schluß alle enttäuscht und alle Verlierer sein. Solch aggressive Eskalationen kommen häufig vor: Fibromyalgie-Patienten werden dreimal häufiger operiert als vergleichbare Patienten mit anderen Schmerzzuständen. Manche Operationen sind leider sinnlos und entspringen der Hilflosigkeit und Unwissenheit gegenüber der Krankheit.
Bilden Sie daher auch mit Ärzten, Krankengymnasten, Masseuren usw. ein Team, und suchen gemeinsam nach einem gangbaren Weg. Jeder unterstützt hierbei den anderen und keiner ist allwissend.
Um es leichter zu machen, haben wir eine geführte, leichte Entspannungsanleitung (meditative Entspannung) im Bereich der Online-Selbsthilfe.
Ernährung
Die meisten Fibromyalgie-Kranken leiden an Beschwerden im Magen-Darm-Trakt: Aufstoßen, Völlegefühl, Sodbrennen, Darmgeräusche, Blähungen, Durchfall oder Verstopfung. „Reizdarm“ oder „Reizmagen“ lautet dann die Diagnose.
Ob dies Ursache oder Folge der Erkrankung ist, sei dahingestellt und ist letztendlich auch nicht von Bedeutung. Wichtig dagegen ist es, diese Beschwerden erfolgreich zu behandeln.
Ganz im Vordergrund steht aus unserer Sicht eine richtige Ernährungsweise. Wir möchte Ihnen allerdings keine neue "Wunderdiät" oder "Fibromyalgie-Diät" anpreisen. Es geht darum, den Verdauungskanal mit einer Kost zu ernähren, die für ihn bekömmlich ist. Für uns Menschen bedeutet dies, Nahrungsmittel zu verwenden, auf die wir uns im Laufe der Entwicklungsgeschichte optimal anpassen konnten.
Dabei handelt es sich nicht um Hamburger, Sachertorte oder Cola-Getränke, sondern um alle Lebensmittel, die unverändert in der Natur vorkommen: Eine rohe, grobe, vorwiegend vegetarische Kost. Doch keine Sorge, Sie müssen jetzt nicht zur Neanderthaler-Küche zurückkehren. Es reicht völlig aus, eine ungefähre Annäherung an die Urkost anzustreben.
Wenn Sie also viel Gemüse, Salat und Vollkornprodukte zu sich nehmen und dabei gleichzeitig Fleisch, Fettes und Süßes meiden, dann sind Sie bereits auf dem richtigen Weg.
Nachdem wir viele tausend Fibromyalgie-Patientin bis jetzt behandelt habe, können wir sagen, dass eine bestimmte Art der Ernährungsumstellung in der Regel die wirkungsvollste Selbsthilfemaßnahme ist.
Den Hintergrund, die Diät und Rezepte finden Sie im Download-Bereich. Sie finden dies auch in mehreren Büchern ausführlich dargestellt.
Studie
Es gibt nur wenige Studien zum Thema "Fibromyalgie und Ernährung". Eine finnische Studie zeigt jedoch in die richtige Richtung.
Wichtig: Es kommt jedoch nicht auf eine streng vegetarische oder gar vegane Lebensweise an. Entscheidend ist die Frage, ob der Magen-Darm-Trakt reizfrei ist oder nicht.
Beschwerden lassen sich durch konsequente Diät mindern und Schmerzmittel reduzieren – das zeigen Ergebnisse einer unlängst veröffentlichten Studie aus Finnland
Bereits in früheren Forschungsstudien konnte der positive Effekt einer Ernährungsumstellung bei rheumatischen Erkrankungen bewiesen werden. Da sich diese Untersuchungen jedoch fast ausschließlich auf Patienten mit rheumatischer Arthritis bezogen, untersuchten nun erstmalig Forscher von der Universität Kuopio, welche Auswirkungen eine vegane Ernährung auf die Symptomatik von Fibromyalgie–Patienten hat.
Über einen Zeitraum von 3 Monaten unterzogen sich 18 Fibromyalgie-Patientinnen einer strengen salzarmen Diät, die aus ungekochten veganen Nahrungsmitteln (Beeren & Früchten, Gemüse, Pilzen, Samen & Nüssen, Hülsenfrüchten und Getreide) bestand. Eine Kontrollgruppe von 15 Patientinnen, die sich in Alter, Größe, Gewicht und Stärke der Beschwerden nicht von der ersten Gruppe unterschied, behielt ihre ursprünglichen Ernährungsgewohnheiten bei. Alle Probanden erfüllten die ACR-Fibromyalgie-Kriterien von 1990. Vorherige Medikamente wurden unverändert eingenommen, die Schmerzmittel durften jedoch von den Teilnehmerinnen selbst dosiert werden.
Zu Beginn der Studie hatten 66 % aller Fibromyalgie-Patientinnen Übergewicht (Body Mass Index in beiden Gruppen = 28). Während das Gewicht der Kontrollgruppe bei gleicher Ernährung stabil blieb, nahmen die Teilnehmerinnen der Diät-Gruppe deutlich ab. Auch die Eiweißausscheidung im Harn fiel auf ein Drittel des Ausgangswertes und die Cholesterolwerte im Serum sanken beträchtlich, was ein gutes Ansprechen auf die Ernährungsumstellung beweist. Hatten beide Gruppen zu Beginn noch über sehr starke Schmerzen im Ruhezustand geklagt, ließen sich diese bei den Veganern während der 3-monatigen Diätphase deutlich mindern, was eine Reduzierung der Schmerzmittel um bis zu 50 % ermöglichte.
Auch bei anderen Parametern ließen sich deutliche Veränderungen feststellen: so berichteten die Patientinnen von einer Verbesserung der Schlafqualität und der generellen Gesundheit sowie der Reduktion der morgendlichen Gliedersteife. Die Teilnehmerinnen der Diätgruppe erzielten bessere Ergebnisse im allgemeinen Gesundheitsfragebogen und bei der speziellen rheumatologischen Befragung. Lediglich bei der Anzahl der Schmerzpunkte (tender points) ließ sich nur eine leichte positive Tendenz feststellen.
Nach Beendigung der Forschungsstudie durften sich alle Probanden wieder nach ihren Wünschen ernähren, was zur Folge hatte, dass die Mehrheit wieder in alte Gewohnheiten zurückfiel und die meisten Laborwerte wieder den Stand vor Beginn der Diät erreichten.
Quelle: Kati Kaartinen et al., Vegan diet alleviates fibromyalgia symptoms, Scand, J. Rheumatol. 2000, 29, 308-13
Massagen - besser als Ihr Ruf
Klassische Massagen haben sich bei Fibromyalgie nicht bewährt. Besonders die Knetmassage verschlechtert die Beschwerden erheblich. Je härter die Massage desto schlimmer die Beschwerden!
Günstiger sind sanfte Streichmassagen, die beruhigen, entspannen und versichern. Unsere Patienten und auch wir sind sehr überzeugt von der Wirksamkeit dieser Methode, die wir in vielfältiger Weise einsetzen.
Ebenso positive Erfahrung haben wir mit Lymphdrainage (z.B. in Form der manuellen Lymphdrainage). Diese Form der Therapie setzt jedoch eine spezielle Ausbildung voraus. Sie sollten sich erkundigen, ob Ihr Therapeut diese Zusatzausbildung hat.
Mit großem Erfolg setzen wir in den letzten Jahren eine Vakuum-Massage ein, bei der die Haut nicht gedrückt, sondern im Gegenteil angehoben wird. Man kann dies in klassischer Form mit einem Schröpfglas tun oder – besser – in Form eines pulsierenden Vakuums mit Hilfe eines entsprechenden Gerätes. Fast alle Patienten berichten nach einer solchen Behandlung über eine deutliche Erleichterung. Das Prinzip der Behandlung ist ein Ableiten der gestauten Lymphe aus der Tiefe des Bindegewebes über die Lymphbahnen. Dadurch wird die Muskulatur und das Bindegewebe entstaut und lockert sich automatisch.
Wesentlich ist, dass Massagen nur ein Teil eines größeren – multimodalen – Konzeptes sind, zu dem auch eine gewisse Abhärtung gehört.
Wärme und Kälte
Die Infrarotkabine (IRK) ist eine wirksame Methode der Wärmebehandlung. Äußerlich gleicht sie der finnischen Sauna. Im Gegensatz zur klassischen Sauna gibt es jedoch keinen Ofen, der die Luft erwärmt. An seiner Stelle ist eine Kombination von Flächen- und Punktstrahlern vorhanden, deren milde Wärme direkt auf den Körper einwirkt. Die IRK in unserer Praxis ist aus unbehandeltem Zedernholz und deshalb auch für Allergiker sehr gut geeignet.
- Die Temperatur der IRK liegt bei sehr angenehmen 40° bis 60°C.
- Sie müssen nicht schwitzen, um eine Wirkung zu erzielen.
- Durch die Tiefenwirkung der Infrarot-Strahlung werden Muskeln, Sehnen und Bindegewebe bis in die unteren Gewebeschichten nachhaltig erwärmt.
- Sie können die IRK auch mit (leichter) Kleidung betreten.
- Wenn Sie dies vorziehen, können Sie die Tür sogar ohne Wirkungsverlust offen lassen. Dies ist vor allem für Menschen angenehm, denen es leicht „zu eng“ wird.
Die Ganzkörperkältetherapie ist eine hochwirksame Therapie für verschiedene rheumatische Erkrankungen, die ursprünglich in Japan entwickelt wurde und seit 1980 in Europa bekannt ist. In Deutschland wurde sie 1985 in verschiedenen Kliniken (vorwiegend Rheumakliniken) eingeführt. Seit 1998 gibt es nun erstmalig die Möglichkeit, diese Therapie auch ambulant durchzuführen. Dabei waren wir die ambulanten Vorreiter dieser Therapie in Deutschland.
Die Kältekammer ist ein etwa zwei bis vier Quadratmeter großer Raum, der auf eine Temperatur zwischen -70 und -80°C gekühlt wird. Neben der Temperatur ist die Luftzirkulation regelbar, so dass der Wärmeentzug der Haut individuell gestaltet werden kann. Auf diese Weise kann die subjektiv wirksame Temperatur (wind chill) auf über -100° abgesenkt werden.
Physiotherapie
Wer sich lange Zeit nur mit Schmerzen bewegen konnte, dessen Muskeln verkürzen sich häufig, Bewegungen werden schmerzhaft und unharmonisch. Gezielte Physiotherapie schafft hier Abhilfe. Im Rahmen unseres Intensivtherapieprogrammes führen wir sie jeden zweiten Tag oder sogar täglich durch.
Vibrationsplatte
Fibromyalgie-Patienten machen vor allem eine Erfahrung beim körperlichen Training: Schmerzen, Schmerzen und nochmals Schmerzen! Und dies entweder gleich bei der Belastung oder – noch häufiger – in der Nacht und am Tag danach.
Dennoch ist ein Muskelaufbau sinnvoll und notwendig. Insbesondere wenn dies mit Muskellockerung kombiniert wird.
Wir führen in unserer Praxisklinik ein spezielles Training mit dem Galileo-System durch. Es handelt sich um ein wissenschaftlich ausgezeichnet untersuchtes System, mit dem man in sehr effektiver Weise die Muskulatur aufbauen , die Koordination verbessern, Muskulatur lockern, den Beckenboden und die Rückenmuskulatur kräftigen kann.
Diese Form des Trainings können auch schwer beeinträchtigte Schmerzpatienten ausgezeichnet absolvieren.
Schwerelos Laufen
AlterG ist ein neuartiges Trainingsgerät, das in der Medizin und der Sportrehabilitation eingesetzt wird. Es handelt sich um ein computergesteuertes Laufbandsystem, auf dem das Körpergewicht bis fast zur Schwerelosigkeit reduziert werden kann.
Der Name leitet sich von „to alter“ = ändern und „G“ der Bezeichnung für die Schwerkraft („Gravity“) ab. Es ist mit dem AlterG also möglich, die eigene Schwerkraft zu reduzieren.
Die Technologie wurde ursprünglich von der NASA entwickelt, um das Training von Astronauten unter der aufgehobenen Schwerkraft zu untersuchen. Dabei wurde erkannt, dass ein Training unter reduzierter Schwerkraft bei der Rehabilitation von Patienten mit großem Gewinn eingesetzt werden kann.
Und die Seele?
Nicht alle Beschwerden haben körperliche Ursachen. Auch die Seele des Menschen hat an deren Entstehung einen nicht zu unterschätzenden Anteil: Stress, Überarbeitung, menschliche Konflikte in der Familie oder am Arbeitsplatz können zur Entstehung vieler Krankheiten beitragen: Teils verschlimmern sie bereits bestehende Krankheiten, teils rufen sie diese erst hervor.
Als gemeinsamer Nenner lässt sich häufig finden, dass eine erhöhte seelische Verletzbarkeit auch zu einer erhöhten körperlichen Sensibilität führt. Eine Tatsache, die nichts mit „Einbildung“ zu tun hat, sondern als Anpassungsreaktion des Körpers auf eine reale oder erlebte Bedrohung von außen zu verstehen ist.
Oft reichen die Wurzeln einer erhöhten Verletzlichkeit bis weit in die Kindheit zurück. So finden wir z.B., dass bei vielen Menschen, die unter chronischen Schmerzen leiden, die (frühe) Kindheit ungünstig verlaufen ist: Unsicherheit, Ungeborgenheit oder Verletzungen finden sich häufig.
Da nichts schwerer zu ertragen ist als eine unbekannte Bedrohung, reagieren Kinder häufig mit der Entwicklung einer erhöhten Sensibilität. Sie versuchen mit allen Mitteln zu erreichen, die bedrohliche Umgebung möglichst schnell und genau zu erfassen, um sich auf die Gefahren einzustellen.
Die erhöhte Sensibilität kann ein Geschenk sein. Sie kann zu Feinfühligkeit, tiefem Mitschwingen mit anderen Menschen und einem hohen Grad von Einfühlungsvermögen führen.
Andererseits leiden Menschen mit erhöhter Sensibilität aber auch häufiger unter der vermehrten Selbstwahrnehmung. Sie nehmen den Körper, die inneren Organe, Schmerzen aber z.B. auch Licht, Lärm und Geruch deutlicher wahr als andere.
Psychotherapeutische Verfahren sind daher ein weiteres Angebot für unsere Patienten. Häufig sind hierbei keine langfristigen Therapien erforderlich, sondern es reichen wenige Gespräche.
Daneben sind Entspannungsverfahren und Schlafhygiene wichtige Bausteine, um die Reizschwelle wieder anzuheben.
Rente, Prozente und Begutachtung
Juristische Probleme bei Fibromyalgie treten im Allgemeinen dann auf, wenn die Krankheit weit fortgeschritten und therapeutische Hilfe nicht in Sicht ist. Die Patienten fühlen sich dann hoffnungslos und enttäuscht. Man sucht die Lösung nun im Rückzug aus den Verpflichtungen, da man das Gefühl hat, „ich kann nicht mehr“. Am Anfang steht dann die Arbeitsunfähigkeit, d.h. die „Krankschreibung“. Am Ende folgt der Rentenantrag, der Ausdruck von fehlgelaufenen Therapien, frustrierten Hoffnungen und einer allgemeinen Mutlosigkeit ist.
Auch ein Antrag auf Behinderung ist oft Ausdruck der jahrelangen Leiden. Er soll ein Ausgleich für die jahrelange Pein sein. Zwar lindern die Prozente vom Versorgungsamt nicht die Schmerzen, vielen Patienten ist aber eine offizielle Anerkennung des Leidens wichtiger als die materiellen Vorteile, die sich daraus ergeben.
Leidet man so massiv, hat man dann kaum Zweifel, mit Hilfe eines medizinischen Gutachtens zum gewünschten Ziel zu gelangen. Doch in aller Regel ist dies nicht so einfach.
Das Hauptproblem beim Wunsch nach „Rente und Prozente“ sind die fehlenden Befunde bei der Fibromyalgie. Schmerzen, funktionelle Beschwerden und auch die Beeinträchtigung der Stimmung lassen sich nicht so einfach messen wie der Blutdruck oder Arthrosen. Dieser Widerspruch von ausgeprägten Beschwerden und unauffälligem Befund bringt Betroffene, Ärzte, Gutachter und Juristen gleichermaßen in Schwierigkeiten. Im Folgenden sollen nun die wichtigsten Begriffe und Verfahrensweisen dargestellt werden, die bei Fibromyalgie häufig zu Konflikten führen.
Arbeitsunfähigkeit
Fibromyalgie macht oft so heftige Beschwerden und Abgeschlagenheit, dass vorübergehend nicht gearbeitet werden kann. Dann ist es sinnvoll, einige Tage zu Hause zu bleiben, um sich auszukurieren. Ist die Beeinträchtigung jedoch stärker, muss man bedenken, dass die Beschwerden sich nicht von alleine auflösen. Während eine Grippe auch ohne Therapie nach 14 Tagen abgeklungen ist, hilft das reine Abwarten bei Fibromyalgie meist nicht. Dann geht wertvolle Zeit ins Land und irgendwann sind sechs Wochen vorbei, in denen der Arbeitgeber den Lohn fortzahlt.
Daher sollte bei Fibromyalgie die Zeit der Arbeitsunfähigkeit aktiv zur Therapie genützt werden, zu der Sie im Arbeitsalltag nicht kommen. Nochmals: Schonen ist nur sehr kurzfristig hilfreich!
Noch etwas sollten Sie bedenken: Je länger die AU dauert, desto schwerer ist es für die meisten Menschen wieder in den Arbeitsprozess zurückzukehren. Diese Schwierigkeiten dürfen nicht mit dem Beschwerdebild "Fibromyalgie" verwechselt werden. Es ist einfach "Entwöhnung von der Arbeit". In milder Form kennen Sie es vielleicht nach einem längeren Urlaub.
Krankengeld
Im Anschluss an diese Zeit springt die Krankenkasse mit Krankengeld ein. Dieses wird über einen Zeitraum von 78 Wochen bezahlt. Der Zeitraum beginnt mit dem ersten Tag der Erkrankung wegen einer bestimmten Krankheit innerhalb eines Zeitraumes von drei Jahren. Ist man drei Jahre lang wegen der gleichen Krankheit weniger als 78 Wochen krank, hat man erneut Anspruch auf 78 Wochen Krankengeld.
Reha vor Rente
In Deutschland gilt der vernünftige Grundsatz, dass „Reha vor Rente“ steht. Bevor jemand aus dem Berufsleben auszuscheiden droht, sollte daher alles Menschenmögliche getan werden, um eine Besserung zu erzielen oder eine Verschlechterung zu verhindern. Ist dies möglich, so besteht eine Mitwirkungspflicht des Versicherten zur medizinischen Reha.
Antragsformulare sind beim Träger der Reha-Maßnahme (Krankenkassen, LVA, BfA) erhältlich. Teil des Antrags ist im Allgemeinen ein Vordruck für den Arzt, in dem dieser die Art der Erkrankung und den Grund für die Reha einträgt. Hier kann der Hausarzt und auch Sie selbst Vorschläge für eine Klinik machen.
Rentenantrag
Wenn wegen einer Krankheit die Berufs- oder Erwerbsfähigkeit nicht wiederhergestellt werden kann und die Rehabilitation nicht gelungen ist, wird grundsätzlich in Deutschland eine Rente bezahlt.
Vor dem Rentenantrag sollte man überprüfen, ob die Voraussetzungen (z.B. die Beitragszeiten) hierfür vorliegen und ob eine Rente wirtschaftlich sinnvoll ist. Ist die Rente nämlich einmal gewährt, dann werden andere Leistungen wie Krankengeld oder Arbeitslosengeld eingestellt. Man kann dann nicht mehr von der Rente zurücktreten, nur weil man sich damit schlechter stellt.
Ein Rentenantrag dauert! Diesen Zeitraum sollte man bei seinen Überlegungen berücksichtigen, da in dieser Zeit möglicherweise der Anspruch auf bestimmte Sozialleistungen ausläuft. Am günstigsten ist es, Kontakt mit der zuständigen Auskunftsstelle der Rentenversicherung aufzunehmen und die mutmaßliche Rente berechnen zu lassen.
Viele Betroffene lassen sich beim VdK beraten.
Der Rentenantrag wird bei zuständigen Rententräger (LVA, BfA, berufsständischer Rententräger usw.) oder verschiedenen andern Stellen gestellt. Man erhält zahlreiche Formulare, die auszufüllen sind. Ärztliche Gutachten oder Atteste sind an dieser Stelle nicht nötig. Meist wird in den Formularen nach den behandelnden Ärzten gefragt. Diese werden dann je nach Einzelfall vom Versicherer angeschrieben und ein Formulargutachten oder auch ein längerer Befundbericht angefordert. In den meisten Fällen wird die Rentenversicherung noch einen oder mehrere Gutachter benennen, die dann Untersuchungen durchführen.
Auf Grund dieser Unterlagen wird über den Rentenantrag entschieden.
Aktenlage
Das Versorgungsamt entscheidet nach Aktenlage. Eine persönliche Untersuchung findet in der Regel nicht statt. Oft müssen eine Handvoll Mediziner Jahr für Jahr über die Anträge von zehntausenden von Kranken urteilen. Es ist leicht einsichtig, dass es unter solchen Bedingungen schwer ist, in jedem Fall gerecht zu entscheiden.
Die Qualität der Beurteilung hängt auch hier entscheidend von den eingereichten Unterlagen und Attesten ab. Die oben genannten Kriterien für eine ärztliche Beurteilung gelten dabei ebenso wie beim Rentenantrag. Eine solch differenzierte Beurteilung stellt jedoch einen hohen Aufwand dar, der dem behandelnden Arzt leider nur mit einem sehr geringen Betrag erstattet wird.
Das Versorgungsamt stellt aufgrund der Akten einen Grad der Behinderung in 10er Schritten fest. Falls mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, werden diese einzeln eingeschätzt und zum Schluss ein Gesamtgrad der Behinderung fixiert. Bei dem letzten Schritt wird nicht einfach zusammengezählt, wie oft vermutet wird.
Man geht üblicherweise von der Krankheit mit dem höchsten Behinderungsgrad aus und überprüft dann, ob weitere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die einen GdB von 10 oder mehr bedingen. Sind die Erkrankungen in ihren Auswirkungen voneinander unabhängig, wird sich eine Erhöhung der Gesamt-GdB ergeben. Falls diese sich jedoch weitgehend in ihrer Auswirkung überschneiden, dann erhöhen selbst erhebliche Einschränkungen der Gesundheit die GesamtGdB nur wenig oder gar nicht. Ebenso erhöhen geringfügige Einschränkungen mit einem EinzelGdB von 10 in der Regel nicht den GesamtGdB.
Falls jemand also erkrankungsbedingt nicht mehr gehen kann und dafür bereits eine GdB festgestellt wurde, dann wird eine weitere Erkrankung, die das Gehen beeinträchtigt, die GesamtGdB nicht erhöhen.
GdB für Fibromyalgie – Vergleiche mit anderen Krankheiten
Die Fibromyalgie ist in den „Anhaltspunkten“ im Anschluss an die entzündlich rheumatischen Krankheiten angeführt: „Auch bei der Beurteilung von nicht-entzündlichen Krankheiten der Weichteile (...sog. Fibromyalgie Syndrom) kommt es auf Art und Ausmaß der jeweiligen Organbeteiligung sowie auf die Auswirkungen auf den Allgemeinzustand an.“
Wesentlich für eine richtige Einschätzung ist also das Ausmaß auf den Allgemeinzustand und dieser muss im Einzelfall dargelegt werden. Wird dies versäumt und lediglich die Diagnose mitgeteilt, wird das Versorgungsamt routinemäßig zu einer eher geringen Bewertung von 10-20 kommen.
Möchte man, besonders im Streitfall, zu einer höheren Bewertung gelangen, muss neben einer differenzierten Bewertung der „Auswirkung auf den Alltag“ ein Vergleich mit anderen Erkrankungen herangezogen werden, die in den „Anhaltspunkten“ differenzierter und mit Prozentsätzen dargestellt sind.
Folgende Erkrankungen sind dabei denkbar:
- Entzündlich-rheumatische Erkrankungen
- Migräne
- Gesichtsneuralgien (z.B. Trigeminusneuralgie)
- Neurosen und psychovegetative Beschwerden
- Tinnitus (Ohrgeräusch)
- Lymphödem
- chronische Darmstörung (irritabler Darm)
- Muskelerkrankungen und andere.
Welchen Vergleich man im Einzelfall heranzieht, hängt von der Einschätzung des begutachtenden Arztes und der Art der Erkrankung ab. Die psychischen Folgen und Begleiterscheinungen der Fibromyalgie sollten dabei nicht zu weit in den Hintergrund gestellt werden. Die Depressivität, die mit der Erkrankung einhergeht, ist oft ein wesentlicher Grund für einen höheren GdB.
Es kann auch sein, dass man manchmal anstelle der Diagnose „Fibromyalgie“ (M79.70 nach ICD 10) eher die Diagnose „anhaltende somatoforme Störung“ bzw. „somatoforme Schmerzstörung“ (F45.4 nach ICD 10) stellt. Bei dieser Diagnose geht man davon aus, dass die Gründe für die Schmerzen im seelischen Bereich liegen.
Widerspruch, Verschlechterung
Wenn man mit der Entscheidung des Versorgungsamtes nicht einverstanden ist, kann man Widerspruch bzw. Klage einreichen. Der Rechtsweg entspricht dem Verfahren bei Rentenfragen. Außerdem kann man nach einer gewissen Frist einen erneuten Antrag wegen Verschlechterung der Beschwerden einreichen.
Atteste und Gutachten
Entscheidende Bedeutung kommt in dem Verfahren der medizinischen Beurteilung zu. Das betrifft nicht nur das Gutachten im engeren Sinn, sondern auch die Atteste von Haus- oder Fachärzten. Gemeinsam liefern sie die Entscheidungsgrundlage für den Richter. Die Gerechtigkeit ihrer Entscheidung steht und fällt mit der Qualität der medizinischen Beurteilungen. Sind diese nachlässig oder nichtssagend, wird der Richter kaum eine sachgerechte Entscheidung fällen können.
Grundsätzlich gilt, dass die Diagnose einer Krankheit bezüglich der Rentengewährung wenig bedeutet. Es kommt nicht auf die Art der Erkrankung an, sondern auf deren praktische Auswirkung im Alltag. Die meisten Krankheiten, bis hin zu Krebs, können geringe oder auch massive Beeinträchtigungen nach sich ziehen. Bezüglich der Fibromyalgie ergeben sich zusätzliche Schwierigkeiten, da diese Diagnose umstritten und schwer zu objektivieren ist.
Steht also auf einem Attest des Hausarztes schlicht die Diagnose „Fibromyalgie“, kann dies niemals die Grundlage für eine Rente sein. Wenn der Betroffene annimmt, der Richter müsse doch eine Vorstellung von dem Ausmaß der Beschwerden haben, dann wird er sich bei einer Ablehnung des Rentenantrages zutiefst missverstanden fühlen.
Hilfreich, d.h. aussagekräftig sind Atteste und Gutachten, die detailliert auf die konkreten Symptome und ihre Auswirkungen im Alltag eingehen.
Beispiel für sinnvolles Attest
Vorgeschichte
- Beginn der Schmerzerkrankung
- Entwicklung der Beschwerden
- Art, Umfang und Erfolg der bisherigen medikamentösen, krankengymnastischen/physikalischen, stationären, rehabilitativen und psychotherapeutischen Behandlungen
- Mögliche eigene Anstrengungen oder Behandlungen durch Heilpraktiker
- Häufigkeit des Arzt oder Therapeutenwechsels
- Art, Umfang und Erfolg der gegenwärtigen Therapie (Medikamente, Krankengymnastik/Physikalische Maßnahmen, Psychotherapie usw.)
- Weitere Erkrankungen
Art der Schmerzen
- Intensität der Schmerzen (Schmerzskalen)
- Ort der Schmerzen
- Art der Schmerzen (brennend, bohrend, stechend, einschießend usw.)
- Häufigkeit der Schmerzen
- Abhängigkeit der Schmerzen von äußeren Faktoren (Witterung, Jahreszeit, Tätigkeit, vor allem Berufstätigkeit.)
Funktionelle Beschwerden
- Schlafstörungen
- Atembeschwerden
- Herzrasen und Herzklopfen
- Reizblase
- Schmerzen bei der Periode
- Taubheitsgefühle
- Zittern
- Kloßgefühl im Halsbereich
- Magen-Darm-Störungen
- Schwitzen, Frieren
- Schwindel, Benommenheit
- Ödeme
- Sexuelle Störungen
Allgemein Leistungsfähigkeit
- Abgeschlagenheit
- Müdigkeit
- Fehlende Erholung durch den nächtlichen Schlaf
- Konzentrationsschwäche
- Nachlassen der geistigen Leistungsfähigkeit
Seelische Beschwerden
- Depressionen
- Ängste/Phobie
Auswirkungen der Beschwerden auf den Alltag
- Arbeit
- Tagesablauf
- Haushalt
- Freizeit
- Hobbies
- Urlaub
- Autofahrten
- Sport
- Beziehungen
- Soziale Integration
- Sexualität
Untersuchungsbefund
- Allgemeiner körperlicher Befund
- Muskuloskeletärer Befund
- Kraft
- Bewegungseinschränkungen
- Neutral-Null-Methode
- Hand- und Fußsohlenbeschwielung
- Hinweise auf körperliche Aktivitäten .
- Muskelummantelung der Extremitäten, Trainingszustand
- Anwesenheit von Tender Points
- Psych. Befund
- Ggf. Psychologische Tests
Zusatzbefunde
- Labor (Ausschluss entzündlicher Erkrankungen, Hormonbestimmungen usw.)
- Funktionelle Untersuchungen (Schellong, Ergometrie mit Laktatbestimmung usw. je nach Einzelfall und Möglichkeiten)
Diagnosen nach ICD
- Also beispielsweise: „Fibromyalgie-Syndrom (M79.70)“
- Ggf. Stellungnahme und Zusammenfassung der wichtigsten Daten und eine kritische Würdigung über deren Auswirkungen auf Beruf und Alltag.
Nimmt ein ärztlicher Bericht in dieser Weise Stellung, dann gibt es einem Gericht eine fundierte Grundlage für eine Entscheidung. Wenn immer möglich, sollten Arzt und Patient gemeinsam an solchen qualifizierten Berichten mitwirken, die allerdings auch deutlich mehr Anstrengung erfordern.
Wenn Sie ein Gutachten benötigen
Es wenden sich häufig Betroffene an uns, um ein neues Gutachten zu erhalten. Häufig liegt die Erfahrung zugrunde, dass weder im orthopädischen, psychiatrischen oder neurologischen Gutachten die Schmerzsymptomatik ausreichend bewertet wurde.
Falls Sie möchten, dass wir ein Gutachten erstellen sollen, empfiehlt sich folgender Weg:
Sie können gerne bei uns nachfragen, in welchem Zeitrahmen wir ein Gutachten erstellen können. Danach sprechen Sie mit Ihrem Rechtsvertreter (z.B. Rechtsanwalt, Rentenbeauftragten oder VdK), dass er dem Gericht mitteilen kann, dass wir ein Gutachten nach §109 erstellen. Dieser Paragraph besagt, dass Sie das Recht haben, selbst einen Gutachter zu benennen. Die Kosten müssen allerdings ert einmal Sie, bzw. Ihre Rechtschutzversicherung tragen. Ergeben sich im Gutachten neue, wesentliche Aspekte, so kann das Gericht beschließen, die Kosten im Nachhinein zu übernehmen.
Danach erhalten wir die Gerichtsunterlagen und vereinbaren mit Ihnen einen Termin zur Untersuchung.
Wir erstellen keine Privatgutachten ohne Auftrag eines Gerichts, da dies in der Regel nur unnötige Kosten verursacht.
Kostenübernahme bei neuen Aspekten
Wenn sich neue Aspekte bei einem Gutachten nach §109 ergeben, so können Sie nachträglich von der Staatskasse ersetzt werden.
Videos persönliche Berichte
Bücher
Zum Thema "Fibromylagie" sind zahlreich Bücher verfügbar.